Auf dem Weg zu Maria 2.0: Frauen in Religion und Kirche

© Ida Raming (ganz links), 2009 Externer Link: Roman Catholic Women Priests

„Das Weib schweige in der Gemeinde.“1 Aber die Frauen wollen eine Stimme in der Kirche haben, und zwar nicht nur als Gemeindemitglieder, sondern im Dialog mit Gott und bis an die Spitze der Kirchenhierarchie.

Göttin auf Leopardenthron, Catalhöyük © Anadolu Medeniyetleri Müzesi
Muttergöttin, Neolithikum

Ab Anfang der 1970er-Jahre entwickelt sich, auf den Spuren der Vorreiterinnen in den USA, auch in Deutschland eine Feministische Theologie. Die feministischen Theologinnen entlarven gängige Bibelauslegungen als patriarchal bis hin zur ‚Vermännlichung‘ ursprünglich weiblicher Figuren; sie hinterfragen das männliche Gottesbild und entdecken ‚die Göttin‘. Sie fordern eine weniger männerzentrierte Sprache in Liedern und Liturgie sowie die Zulassung von Frauen zum Priesteramt. Als die feministische Theologie in Deutschland startet, sind von rund 13.000 Pfarrern nur zwei Prozent Pfarrerinnen. 1958 hatte die evangelische Kirche die erste Frau auf eine Pfarrstelle ordiniert. Die katholische Kirche, die Frauen erst seit 1946 zum Theologiestudium zugelassen hatte, hält bis heute am Ausschluss von Frauen vom Priesteramt fest.

1970

© Ulrich Baatz
Uta Ranke-Heinemann, ca. 1988

Uta Ranke-Heinemann, die 1969 als erste Frau der Welt als Konvertitin in katholischer Theologie habilitiert hatte, tritt an der Pädagogischen Hochschule Neuss eine Professur in Katholischer Theologie an, ebenfalls als erste Frau. Von Anfang an kritisiert Heinemann die Haltung der katholischen Kirche zur Rolle der Frau.

1971

In Würzburg beginnt die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. Sie hat die Aufgabe, „in ihrem Bereich die Verwirklichung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils zu fördern“. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965), bei dem die Befürworter einer Modernisierung der katholischen Kirche eine starke Stimme gehabt hatten, hatte sich auch mit der Rolle und Teilhabe der Frau befasst.

© Ida Raming (ganz links), 2009 Externer Link: Roman Catholic Women Priests
Theologin Ida Raming (ganz links)

Die Theologin Ida Raming, die 1970 ihre Dissertation über die Stellung und Wertung der Frau in der römisch-katholischen Kirche abschloss, hatte gemeinsam mit einer Kollegin eine Eingabe für die volle Gleichberechtigung von Frauen beim Diakonat und Priesteramt formuliert. Die Eingabe war abgelehnt worden. Auf der Würzburger Synode ist die Frauenfrage nun wieder Thema. Zwar wird die Zulassung von Frauen zum Priesteramt nach wie vor ausgeschlossen, die Synode empfiehlt aber die Weihe von Diakoninnen.

1973

Mary Daly (1973): Beyond God the Father / Daly, Mary (1980): Jenseits von Gottvater Sohn und Co. : Aufbruch zu einer Philosophie der Frauenbefreiung. - München : Frauenoffensive (FMT-Signatur: ST.11.007).
Beyond God the Father

In den USA erscheint Beyond God the Father: Toward a Philosophy of Womens’s Liberation (Deutsch: Jenseits von Gottvater, Sohn & Co., 1980) der feministischen Theologin und Philosophin Mary Daly (1928-2010).4  Die Katholikin Daly, die am jesuitischen Boston College lehrt, ist eine der bedeutendsten feministischen Theologinnen. Sie übt in ihren Texten scharfe Patriarchatskritik an der Kirche, unter anderem am männlichen Gottesbegriff: „Wenn Gott männlich ist, muss das Männliche Gott sein“, lautet ihr berühmtester Satz. Schon 1968 hatte die Theologin in ihrem Werk The Church and the Second Sex5  die Frauenfeindlichkeit der katholischen Kirche kritisiert und eine Öffnung der Kirche für Frauen in sämtlichen Kirchenämtern gefordert. In ihrem jetzt erschienenen zweiten Buch Beyond God the Father scheint ihr jedoch die Vorstellung von Gleichberechtigung von Frauen in der katholischen Kirche „ebenso lächerlich und mitleiderregend wie der Gedanke, dass schwarze Personen im Ku Klux Klan Gleichberechtigung suchten“. Das Buch wird von gläubigen deutschen Feministinnen breit rezipiert.

15. Oktober 1976

© EMMA-Archiv
Theologin und Feministin Mary Daly

In der Erklärung Inter insigniores verkündet die Glaubenskongregation, dass sich die Kirche „aus Treue zum Vorbild ihres Herrn nicht dazu berechtigt [hält], die Frauen zur Priesterweihe zuzulassen“. Grundlegend dafür sei, dass Christus ausschließlich Männer in den Zwölferkreis der Apostel berufen habe sowie die Handlungsweise der Apostel, die nur Männer als ihre Nachfolger wählten und die daher grundlegende Tradition und bleibende Bedeutung dieser Praxis. Da die Diskussionen um die Priesterweihe der Frau andauern, lehnt Papst Johannes Paul II. am 22. Mai 1994 in dem Apostolischen Schreiben Ordinatio Sacerdoti die Zulassung von Frauen zum Priesteramt erneut explizit ab und erinnert an die Begründung der Erklärung der Glaubenskongregation aus dem Jahr 1976. Die Kirche habe nicht die Vollmacht, Frauen die Priesterweihe zu spenden.6

1977

© Elisabeth Moltmann-Wendel, 1991 Externer Link: Landeskirche Hannover
Elisabeth Moltmann-Wendel

Auf dem Evangelischen Kirchentag in Berlin gründet sich die ökumenische Gruppe Homosexuelle und Kirche (HuK).

Januar 1978

In allen evangelischen Landeskirchen der EKD (ausgenommen die kleine Landeskirche Schaumburg-Lippe, die sich dieser Regelung erst 1991 anschließt), werden Frauen als Pfarrerinnen den Pfarrern gleichgestellt.7 In der DDR war diese Gleichstellung schon vier Jahre zuvor erfolgt.

Februar 1979

Die Evangelische Akademie Bad Boll bei Göppingen lädt auf Initiative der feministischen Theologinnen Herta Leistner, Elisabeth Moltmann-Wendel und Heidemarie Langer zur ersten Tagung Feministische Theologie. Im Einladungstext heißt es: „Frauen müssen bei ihrer Suche nach ihrer eigenen Identität selbst Subjekt des theologischen Arbeitens und Handelns werden und ihre eigenen Erfahrungen einbringen.“8  Die Resonanz ist groß. Bis zu 200 Teilnehmerinnen kommen zu den rund 30 Feministisch-Theologischen Werkstätten, die die Akademie ab jetzt regelmäßig veranstalten wird.

Flugblatt anlässlich des Papstbesuches im November 1980 (FMT-Signatur: FB.02.101)
Flugblatt zum Papstbesuch, 1980

„In den ersten Jahren waren die Werkstätten Feministische Theologie in Bad Boll noch bestimmt von Themen, die die Befreiung von einer patriarchalen Theologie und Kirche zum Ausdruck bringen: Gottesbilder, Sprache, Tradition, Struktur, Spiritualität, Leibfeindlichkeit und vor allem die Befreiung von einem männlich definierten Sündenverständnis, das sich wie ein roter Faden durch alle Bereiche zieht“, schreibt Elisabeth Moltmann-Wendel. „Den Frauen wurde dann ziemlich schnell deutlich, diese Themen selber zu besetzen und für sich zu füllen: Eine eigene feministische Hermeneutik zu entwickeln und zu erproben, verschüttete Frauengeschichte zu entdecken und in ihrer Bedeutung zu erfassen, eigene Gottesdienstformen zu gestalten, Frauen mit ‚Macht‘ auszustatten und in Leitungspositionen zu bringen.“9 Auf den Kirchentagen sind die feministischen Theologinnen von nun an mit ihren Themen präsent.

Externer Link: EMMA-Lesesaal
EMMA 11/1980

16. November 1980

In Fulda findet anlässlich des Besuches von Papst Johannes Paul II. in Deutschland eine Demonstration gegen die Bevormundung der Frauen in der Kirche statt. Die Teilnehmerinnen fordern die rechtliche Gleichstellung von Frauen in allen kirchlichen Bereichen und Funktionen und volle Chancengleichheit für Theologinnen in Lehre und Forschung an den Universitäten.10

1981

Die Arbeitsgemeinschaft Feminismus und Kirche e.V. gründet sich als überkonfessioneller Zusammenschluss feministischer Theologinnen aus dem deutschsprachigen Raum.

21. September 1981

© Erika Sulzer-Kleinemeier, Katholischer Kirchentag 1982, AG Feministische Theologinnen (FMT-Signatur: FT.12.104)
Katholischer Kirchentag,1982

In einer Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz bejahen die Bischöfe grundsätzlich das Streben der Frauen nach kritischer Auseinandersetzung mit einer überwiegend von Männern geprägten Welt sowie die Forderungen nach Gleichstellung der Frau und nach dem Abbau jeder Form von Diskriminierung auch in der Kirche. Das neue kirchliche Gesetzbuch, das Ende 1983 in Kraft treten wird, beseitigt viele Diskriminierungen der Frau innerhalb der Kirche. Frauen haben jedoch nach wie vor keinen Zugang zu dem Priestertum und zum Diakonat.11

1983

Von der amerikanischen Theologin Rosemary Radford Ruether erscheint Sexism and God-Talk. Toward a Feminist Theology (deutsch: Sexismus und die Rede von Gott, 1985).12 Die Katholikin ist Vorsitzende der Organisation Catholics for a Free Choice, die sich für das Recht auf Abtreibung einsetzt. Sie lanciert u.a. die Kampagne A Catholic Statement on Pluralism and Abortion: Am 7. Oktober 1984 veröffentlicht die New York Times einen ganzseitigen Aufruf, in dem die 80 UnterzeichnerInnen erklären, dass die Haltung der katholischen Kirche, die Abtreibung „unter allen Umständen als moralisch falsch“ bewertet, „nicht die einzige legitimierte römisch-katholische Position“ sei.13

FMT-Signatur: Z-F181
Schlangenbrut 1/1983

Deutsche feministische Theologinnen gründen die Zeitschrift Schlangenbrut, in der Texte von und für Frauen aus verschiedenen religiösen Traditionen und gesellschaftlichen Kontexten vierteljährlich erscheinen. Jede Ausgabe umfasst ein eigenes Schwerpunktthema, Interviews, Rezensionen, Nachrichten und Termine. Die Zeitschrift erscheint bis zum Jahr 2013.14 Von 2014 bis 2016 erscheint die Nachfolgezeitschrift INTA.Interreligiöses Forum, die erste interreligiöse und feministische Zeitschrift in deutscher Sprache.

18. April 1984

In Hamburg traut erstmals Mal ein Pfarrer ein Frauenpaar (siehe Dossier Homo-Sexualität) : die Taxifahrerin Sabine Löschenkohl und die Hausfrau Sylvia Hansen. Das Medienecho ist groß. „Lesben-Hochzeit: Liebe auf den ersten Blick“ (Bild), „Das lesbische Ehepaar: Ein Herz und eine Seele“ (Bild der Frau). EMMA berichtet in einer Titelgeschichte über die historische Trauung. In ihrem Kommentar plädiert Alice Schwarzer für die Homo-Ehe, die zu diesem Zeitpunkt von einem Großteil der feministischen homosexuellen Frauen selbst als „patriarchales Herrschaftsinstrument“ abgelehnt wird. Schwarzer postuliert: „In einer zwangsheterosexuellen Welt wie der unseren ist und bleibt es eine Unerhörtheit, die homosexuelle Liebe so ernst zu nehmen wie die heterosexuelle.“15  Das scheint sich zu bewahrheiten: Die nordelbisch-lutherische Kirche strengt ein Verfahren wegen Amtsmissbrauch gegen Pfarrer Christian Arndt an, die Trauung wird für ungültig erklärt.16 Der Pastor erhält von der Kirche einen Verweis.17

Dezember 1985

Im Rahmen einer Tagung in der Akademie Bad Boll gründet sich das Netzwerk Lesben und Kirche (LuK). Das Netzwerk versteht sich als „Zusammenschluss von Frauen, die sich in unterschiedlicher Weise dem Glauben und der Kirche verbunden fühlen, die ihr Lesbischsein in Verbindung mit dem Glauben selbstbewusst leben wollen und (…) die die patriarchale Form der Kirche und Gottesdienste kritisieren und nach neuen Formen suchen“.18  Die LuK gibt zweimal im Jahr die Zeitschrift LuK-LekTüre mit u.a. Infos, Artikeln und Veranstaltungshinweisen heraus.

1986

Einladung zum Vortrag: Feministische Theologie und ihre Herausforderung an eine patriarchale Kirche (FMT-Signatur: FB.01.107)
Flugblatt, 1986

Die Arbeitsgemeinschaft Feminismus und Kirche e.V. gibt das Handbuch Feministische Theologie heraus. Darin schreiben sie: „In verschiedenen Frauengruppen wurde deutlich, daß wir ein Buch brauchen, das Frauen unterschiedlicher Hintergründe und Vorerfahrungen einen ‚Einstieg‘ in Feministische Theologie ermöglicht, Diskussionen und Streitpunkte verdeutlicht, die Praxis Feministischer Theologie darstellt, eine Grundlage zur eigenen feministisch-theologischen Weiterarbeit bietet.“19  

Dezember 1987

Die evangelische Theologin und Pfarrerin Helga Trösken wird von der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau (EKHN) zur Pröpstin von Frankfurt gewählt. Trösken ist damit die erste Frau in Deutschland, die in der evangelischen Kirche ein Leitungsamt übernimmt.

© Helga Tröskens, 2004 Externer Link
Erste Pröpstin: Helga Tröskens

15. Juni 1987

Uta Ranke-Heinemann, die inzwischen an der Universität Essen katholische Theologie lehrt, wird vom Essener Bischof Franz Hengsbach die Lehrerlaubnis entzogen, weil sie öffentlich erklärt hatte, nicht an die Jungfrauengeburt zu glauben.20 Ein Jahr später wird ihr Buch Eunuchen für das Himmelreich – Katholische Kirche und Sexualität21 erscheinen und zum Bestseller werden. Ranke-Heinemann wird zu einer der schärfsten und bekanntesten Kritikerinnen der katholischen Kirche, insbesondere der Diskriminierung von Frauen.

Christine Schaumberger und Luise Schottroff (1988): Schuld und Macht. Studien zu einer feministischen Befreiungstheologie. (FMT-Signatur: ST.11.121)
Schuld und Macht

3. – 5. August 1987

In Kassel initiieren Luise Schottroff, Professorin für Neues Testament an der Gesamthochschule Kassel, und ihre Assistentin Christine Schaumberger die erste Sommeruniversität für feministische Theologie. 55 Frauen und 6 Männer aus der BRD, Dänemark und der Schweiz diskutieren in Vorträgen und Projektgruppen das Thema „Schuld und Macht aus der Perspektive feministischer Befreiungstheologie“.22

Herbst 1987

Das von Frauen aus dem Umkreis beider Kirchen herausgebrachte Buch Hättest Du gedacht, dass wir so viele sind? Lesbische Frauen in der Kirche erscheint. Autorinnen sind Herta Leistner, Monika Barz und Ute Wild.23 

Barz, Monika; Leistner, Herta; Wild, Ute (1987): Hättest Du gedacht, daß wir so viele sind? : Lesbische Frauen in der Kirche. - 1. Aufl. - Stuttgart : Kreuz-Verlag (FMT-Signatur: LE.11.210).
Hättest du gedacht, daß wir so viele sind?

1988

Der Ökumenische Rat der Kirchen ruft die Dekade „Solidarität der Kirchen mit den Frauen“ aus.24 Am 15. August desselben Jahres veröffentlicht Papst Johannes Paul II. den apostolischen Brief Die Würde der Frau (mulieres dignitatem), in dem erklärt, die Stunde sei gekommen, „in der sich die Berufung der Frau voll entfaltet, die Stunde, in der die Frau in der Gesellschaft einen Einfluss, eine Ausstrahlung, eine bisher noch nie erreichte Stellung erlangt“. Die zwei „Dimensionen der Berufung der Frau im Licht der göttlichen Offenbarung“ sieht der Papst jedoch in ‚Mutterschaft‘ und ‚Jungfräulichkeit‘. Dem Priestertum der Frau erteilt er mit Blick auf die Tatsache, dass Jesus nur männliche Apostel berufen habe, weiterhin eine entschiedene Absage.

Juni 1988

Bartsch, Gabriele; Dehlinger, Gisela; Kaden, Kathinka; Renninger, Monika [Hrsg.] (1996): Theologinnen in der Männerkirche.
Theologinnen in der Männerkirche
In Bendorf (Rheinland) laden der Katholische Deutsche Frauenbund und der Evangelische Deutsche Frauenbund zum Ersten ökumenischen Kongress christlicher Frauen. Die Teilnehmerinnen diskutieren über den „Stellenwert der Frauenordination und die Situation der Frau in beiden Kirchen“.25  Von rund 16.700 PfarrerInnen in der EKD sind 9,4 Prozent Frauen.

1989

Auf der 7. EKD-Synode in Bad Krozingen wird unter der Überschrift Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Kirche beschlossen, die „ausgewogene Repräsentanz von Männern und Frauen in kirchlichen Gremien anzustreben“.26 Außerdem will man die theologische Frauenforschung fördern.27 Zu der Synode entsteht auf Anregung Dietlinde Cunows, der damaligen Vorsitzenden des Konvents Evangelischer Theologinnen in der BRD, eine Ausstellung zum Thema Das Weib schweigt nicht mehr – Wie das Amt der Theologin Wirklichkeit wird. In Folge der Synodenbeschlüsse richtet die zu Beginn der 90er-Jahre ein Frauenstudien- und bildungszentrum  sowie ein Frauenreferat ein. Die erste Professur für Kirchliche Zeitgeschichte und Historische Frauenforschung entsteht 1994 an der Theologischen Fakultät in Marburg.

Wie geht es weiter?

© epd-bild, Margot Käßmann, ca. 2005
1. EKD-Ratsvorsitzende Käßmann

Am 4. April 1992 wird die evangelische Theologin Maria Jepsen zur Bischöfin von Hamburg gewählt. Jepsen ist die erste evangelisch-lutherische Bischöfin der Welt. 1999 wird Margot Käßmann Bischöfin der Landeskirche von Hannover und 2009 die erste weibliche Ratsvorsitzende der EKD. Im März 2009 wird Ilse Junkermann in Mitteldeutschland die dritte deutsche Bischöfin. Im November 2011 wird Annette Kurschus zum Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen ernannt, übt also als Leiterin der Landeskirche das Amt einer Bischöfin aus. Der 15-köpfige Rat der EKD ist mit sieben Frauen und acht Männern nahezu paritätisch besetzt. Seit November 2013 wird die Synode der EKD von einer Frau geleitet, der ehemaligen FDP-Ministerin Irmgard Schwaetzer.

Bibel in gerechter Sprache (2006) (FMT-Signatur der Taschenbuchausgabe von 2011: ST.11.167)
Bibel in gerechter Sprache

2006 wird die Bibel in gerechter Sprache herausgegeben.28 Initiiert wurde das Projekt von einem „Herausgabekreis“ aus 13 TheologInnen, rund 50 TheologInnen übersetzen das Alte und das Neue Testament neu, wobei die geschlechtergerechte Sprache nur ein Aspekt einer ‚gerechten‘ Neuübersetzung ist, jedoch ein zentraler: „In der Bibel in gerechter Sprache wird durchgängig sichtbar gemacht, wo es nicht nur um Männer, sondern um beide Geschlechter geht. So begegnen im Wortlaut Apostelinnen, Diakoninnen, Prophetinnen und Pharisäerinnen. Es wird erkennbar, dass Frauen an den Geschehnissen aktiv beteiligt sind […], dass sie damals wie heute angesprochen und nicht nur mitgemeint sind.“29 (Link zum Dossier Sprache der Geschlechter)

Im April 2014 eröffnet die EKD in Hannover ihr Studienzentrum für Genderfragen in Kirche und Theologie. Das Zentrum veröffentlicht am 8. März 2015 den ersten Atlas für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der EKD.30 Demnach ist heute jeder dritte evangelische Pfarrer in Deutschland weiblich. In den Synoden auf Landes- und Bundesebene liegt der Frauenanteil bei 38 Prozent. Bei TheologiestudentInnen liegt der ‚Frauenanteil‘ inzwischen bei über 50 Prozent.

Die katholische Kirche verweigert sich der Öffnung des Priesteramtes weiterhin. Mit dem Pontifikat von Papst Franziskus scheint jedoch ein neuer Ton im Vatikan eingekehrt zu sein. „Der weibliche Genius ist nötig an den Stellen, wo wichtige Entscheidungen getroffen werden“31, erklärte der Papst, der immer wieder Zeichen in Richtung Frauen sendet. So lud er zum Beispiel an Ostern 2016 erstmals vier Frauen zu seiner rituellen Fußwaschung.

Ebenfalls Ostern 2016 stimmt der Vatikan einer Neufassung der sogenannten Einheitsübersetzung der Bibel zu. Die offizielle Bibel-Übersetzung für alle KatholikInnen des deutschsprachigen Raums war seit 1978 nicht verändert worden. In der Neuübersetzung gibt es entscheidende Veränderungen, die auch die Rolle der Frauen in den biblischen Geschichten betrifft. So wird in Paulus‘ Römerbrief der Apostel Junias ersetzt durch die Apostelin Junia, die Anrede „Brüder“ in den Paulusbriefen ersetzt durch „Brüder und Schwestern“. Auch die Jungfräulichkeit Marias wird in Frage gestellt: Die Neu-Übersetzer weisen darauf hin, dass das „hebräische Wort almáh eigentlich junge Frau“32 bedeutet.

Im Mai 2016 kündigt der Papst anlässlich einer Audienz von 900 Oberinnen eine Kommission an, die die Möglichkeit der Weihe von Frauen zu Diakoninnen eruieren soll.33

Quellen

1 1. Brief des Paulus an die Korinther (1 Kor 14,33b - 35.) Die gleiche Textstelle in der Einheitsübersetzung.
2 Elisabeth Haseloff wurde 1958 in Lübeck die durch eine Ausnahmeregel, die sog.  'Lex Haseloff' erste Pastorin der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. Haseloff war Mitherausgeberin der Zeitschrift Die Theologin.
3 Ida Raming wird sich 2002 auf einem Donau-Schiff zur Priesterin weihen lassen und daraufhin wegen Verstoßes gegen das Kirchenrecht exkommuniziert.
4 Daly, Mary (1980): Jenseits von Gottvater Sohn und Co. : Aufbruch zu einer Philosophie der
Frauenbefreiung. - München : Frauenoffensive (FMT-Signatur: ST.11.007).
5 Deutsche Übersetzung: Daly, Mary (1970): Kirche, Frau und Sexus. - Olten : Walter (FMT-Signatur: ST.11.022).
6 "Wir sind Priesterinnen" : aus aktuellem Anlass: die Weihe von Frauen 2002 (2002): Ertel, Werner [Hrsg.] ; Forster, Gisela [Hrsg.]. - Düsseldorf : Patmos-Verl., 207 S., S. 154 (FMT-Signatur: ST.11.092). Demel, Sabine (2004): Frauen und kirchliches  Amt. - Freiburg (u.a.) : Herder, 152 S., S. 78 f. (FMT-Signatur ST.11.112); Laurien, Hanna-Renate (1995): Abgeschrieben?, S. 11 f (FMT-Signatur: ST.11.086).
7 Raming, Ida (1989): Frauenbewegung und Kirche. - Weinheim : Dt. Studien-Verl., 179 S., S. 19 f (FMT-Signatur: ST.11.029) und Theologinnen in der Männerkirche (1996). -  Bartsch, Gabriele [Hrsg.] ; Dehlinger, Gisela [Hrsg.] ; Kaden, Kathinka [Hrsg.] ; Renninger, Monika [Hrsg.]. Stuttgart : Quell, S. 144 (FMT-Signatur ST.11.088).
8 Rivuzumwami, Carmen (2007): Die Evangelische Akademie Bad Boll - ein Ort der (kirchlichen) Frauenbewegung. – In: Online-Texte der Evangelischen Akademie Bad Boll. Verfügbar unter: http://www.ev-akademie-boll.de/fileadmin/res/otg/07-08-Rivuzumwami.pdf
9 Ebenda.
10 Flugblatt zur Demonstration anlässlich des Papstbesuches am 16.11.1980 (FMT-Signatur: FB.02.101).
11 Seibel, Wolfgang (1986): Die Stellung der Frau in der Kirche. - In: Stimme der Zeit : Die Zeitschrift für christliche Kultur, Nr. 4, S. 217 - 218.
12 Radford Ruether, Rosemary (1983): Sexism and God-Talk: Toward a Feminist Theology. - Boston : Beacon Press.
13 Hunt, Mary E. ; Kissling, Frances (1987): The New York Times Ad: A Case Study in Religious Feminism. - In: Journal of Feminist Studies in Religion Nr. 1, S. 115 - 127.
14 Berger, Katrin (2014): Ausgebrütet : 30 Jahre Schlangenbrut. - In: Schlangenbrut, Nr. 121, S. 3. Alle Ausgaben der Schlagenbrut sind zu finden unter der FMT-Signatur: Z-F033.
15 Schwarzer, Alice (1984): Auch das noch?. - In: EMMA, Nr. 7, S. 23.
16 Roggenkamp, Viola (1984): Lesbenehe. - In: EMMA, Nr. 7, S. 14 - 22.
17 Missionar zeigt „Lesben-Pastor“ an (1984). – In: Bild, 04.05.1984 und Pastor erhielt Verweis. - In: Kieler Nachrichten, 29.06.1984, siehe Pressedokumentation: Homosexuellenehe und Kirche (FMT-Signatur: PD-LE.11.20, Kapitel 3).
18 Pagenstecher, Lising (1992): Abschied von der liebgewonnenen Heimat „Diskriminierung“?. - In: Lesbenring-Info, Sept., S. 6 - 15, S. 13 (FMT-Signatur: Z-L304-a).
19 Handbuch feministische Theologie (1986): Schaumberger, Christine [Hrsg.] ; Maaßen, Monika [Hrsg.] . 1. Aufl. - Münster : Morgana-Frauenbuchverlag (FMT-Signatur: ST.11.024).
20 Uta Ranke-Heinemann (1987). -  In: Der Spiegel, Nr. 33, 10.08.1987.
21 Ranke-Heinemann, Uta (1988): Eunuchen für das Himmelreich : katholische Kirche und Sexualität. - Hamburg : Hoffmann und Campe (FMT-Signatur: ST.11.030).
22 Dokumentation der Sommeruniversität für feministische Theologie siehe Pressedokumentation: Feministische Debatten und Ereignisse 1987 (FMT-Signatur: PD-FE.03.02-1987, Kapitel 3.2.). Eine Publikation mit dem gleichen Titel erscheint im folgenden  Jahr: Schaumberger, Christine ; Schottroff, Luise (1988): Schuld und Macht : Studien zu einer feministischen Befreiungstheologie. - München : Kaiser (FMT-Signatur: ST.11.121).
23 Barz, Monika; Leistner, Herta; Wild, Ute (1987): Hättest Du gedacht, daß wir so viele sind? : Lesbische Frauen in der Kirche. - 1. Aufl. - Stuttgart : Kreuz-Verlag (FMT-Signatur: LE.11.210).
24  Theologinnen in der Männerkirche (1996). -  Bartsch, Gabriele [Hrsg.] ; Dehlinger, Gisela [Hrsg.] ; Kaden, Kathinka [Hrsg.] ; Renninger, Monika [Hrsg.], Stuttgart : Quell, S. 124 (FMT-Signatur: ST.11.088).
25 Raming, Ida (1989): Frauenbewegung und Kirche. - Weinheim : Dt. Studien-Verl., S. 109 (FMT-Signatur ST.11.029).
26 Evangelische Kirche in Deutschland (EKD): Gleichstellungsatlas der evangelischen Kirche in Deutschland, Pressemitteilung vom 15.03.2015. Verfügbar unter:  https://www.ekd.de/presse/pm26_2015_gleichstellungsatlas.html
27 Feministische Theologie - Politische Theologie : Entwicklungen und Perspektiven (2012). -
Schõfer-Bossert, Stefanie [Hrsg.] ; Hartlieb, Elisabeth [Hrsg.]. Sulzbach/Taunus : Helmer, S. 229 (FMT-Signatur: ST.11.169).
28 Bibel in gerechter Sprache (2006). - Bail, Ulrike [Hrsg.] ; Crüsemann, Marlene
[Hrsg.] ; Crüsemann, Frank [Hrsg.] ; Domay, Erhard [Hrsg.] ; Ebach, Jürgen [Hrsg.] ; Janssen, Claudia
[Hrsg.] ; Köhler, Hanne [Hrsg.] ; Kuhlmann, Helga [Hrsg.] ; Leutzsch, Martin [Hrsg.] ; Schiffner, Kerstin
[Hrsg.] ; Schottroff, Luise [Hrsg.] ; Taschner, Johannes [Hrsg.] ; Wacker, Marie-Theres [Hrsg.]. Gütersloh : Gütersloher Verl.-Haus (FMT-Signatur der Taschenbuchausgabe von 2011: ST.11.167).
29 Köhler, Hanne (2006): Pressemitteilung. Online unter: http://www.bibel-in-gerechter-sprache.de/downloads/hgundandere/Presserklaerung_zum_Erscheinen.pdf
30 Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der evangelischen Kirche in Deutschland : Eine Bestandsaufnahme (2015): Evangelische Kirche in Deutschland (Hrsg.). - Frankfurt am Main : Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) GmbH. Verfügbar unter: https://www.gender-ekd.de/projekte/28507.html
31  Spadaro, Antonio (2013): Das Interview mit Papst Franziskus, Teil 2: Römische Dikasterien, Synodalität, Ökumene. Verfügbar unter:  http://www.stimmen-der-zeit.de/zeitschrift/online_exklusiv/details_html?k_beitrag=3906433
32 Wiegelmann, Lucas (2016): Ein bisschen Jungfrau. - In: Die Welt, 16.09.2016, S. 25.
33 Schlamp, Hans-Jürgen (2016): Papst-Vorstoß : Erst die Fußwaschung, dann das Diakonat . - In: Der Spiegel, 12.05.2016. Verfügbar unter: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/papst-franziskus-diakonat-wird-moeglicherweise-fuer-frauen-geoeffnet-a-1092107.html

Alle Internetlinks wurden zuletzt abgerufen am: 05.02.2018

Auswahlbibliografie

Empfehlungen

Daly, Mary : Kirche, Frau und Sexus (1970). Olten : Walter, 249 S. (FMT-Signatur: ST.11.022)

Die Zeit des Schweigens ist vorbei : zur Lage der Frau in der Kirche (1979). – Kahl, Susanna [Hrsg.] ; Wolf, Carola [Mitarb.] ; Moltmann-Wendel, Elisabeth [Mirarb.] ; Reichle, Erika [Mitarb.] : Schirmer, Eva [Mitarb.]. Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus Mohn, 105 S. (FMT-Signatur: ST.11.053)

Raming, Ida: Frauenbewegung und Kirche : Bilanz eines 25jährigen Kampfes für Gleichberechtigung und Befreiung der Frau seit dem 2. Vatikanischen Konzil (1989). – Weinheim : Dt. Studien-Verl., 179 S. (FMT-Signatur: ST.11.029)

Kompendium : feministische Bibelauslegung (1998). - Schottroff, Luise [Hrsg.] ; Wacker, Marie-Theres [Hrsg.] ; Janssen, Claudia [Mitarb.] ; Wehn, Beate [Mitarb.]. Gütersloh : Kaiser [u.a.], 832 S. (FMT-Signatur: ST.11.090)

Frauen finden einen Weg: die internationale Bewegung "Römisch-katholische Priesterinnen" (2009). - Hainz McGrath, Elsie;  Mary Meehan, Bridget; Raming, Ida [Hrsg.]. Berlin [u.a.] : Lit-Verl.

Feministische Theologie - Politische Theologie : Entwicklungen und Perspektiven (2012). - Schäfer-Bossert, Stefanie [Hrsg.] ; Hartlieb, Elisabeth [Hrsg.]. Sulzbach/Taunus : Helmer, 251 S. (FMT-Signatur: ST.11.169)

Pressedokumentation

Pressedokumenation zum Thema Religion & Kirche: PDF-Download

Pressedokumenation zum Thema Religion in islamischen Ländern: PDF-Download

Die Pressedokumentation des FMT umfasst strukturierte, thematisch aufbereitete und inhaltlich erschlossene Beiträge der allgemeinen und feministischen Presse, meist angereichert mit weiteren Materialien wie z.B. Flugblättern und Protokollen.

Weitere Bestände im FMT (Auswahl)

FMT-Literaturauswahl Religion und Kirche: PDF-Download

EMMA-Artikel Religion und Kirche: PDF-Download

EMMA-Artikel Feministische Theologie: PDF-Download

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