Frauenverehrer & Antifeminismus

Hedwig Dohm 1912 über Frauenverehrer wie Mulford, den Lieblingsautor von Eva Herman

Was ist Antifeminismus? Der passive oder aktive Widerstand gegen die Aufwärtsbewegung des weiblichen Geschlechts. Passiv ist er, wenn er nur in der Meinung, in einer Gefühls- und Glaubensrichtung besteht; aktiv, wenn Gefühl und Glauben sich in Taten umsetzen, mögen sie sich in Schriften, Vorträgen, Gesetzes- oder Polizeiverordnungen äußern. Die verschiedenartigen Motive der Gegnerschaft sind oft genug erörtert worden. Hier will ich nur von den Idealisten des Antifeminismus reden, von den Rittern des Ordens Frauenlob, von den verspäteten Minnesängern, die beflissen sind, das Weib um ihrer Hoheit und Reinheit willen vom Markt des Lebens fernzuhalten.

Der reinste, absoluteste Vertreter dieser Richtung ist der Engländer Prentice Mulford, der in einem Kapitel eines Buches, das sonst starke Reize hat, ein goldenes Netz ausspannt, in das er das Weib hineinschmeichelt. „Das verfeinerte Element in der Natur ist weiblich … Unter Frauen gibt es viel mehr Clairvoyantes (als unter Männern). Sie sind die ersten, um eine spirituelle Wahrheit zu erfassen. In allen Stadien seelischen Wachstums ist der innere Blick der Frau klarer als der des Mannes: er befähigter zu verwirklichen, was ihm die weibliche Psyche zeigt. Sie ist die Weckerin. Sie ist nicht das schwächere sondern das feinere Gefäß, das den unirdischen Wein der Geistigkeit trägt.“

Wie dieser Ideologe, der die Frauenseele hymnisch erhebt, der die geistige Organisation der Frau in verklärtem englischen Licht (leider nicht in dem der Wirklichkeit) sieht, sollte ein Antifeminist sein? Ja, auch er. Auch ihm ist das weibliche Geschlecht eine uniforme, mit einer Fabrikmarke abzustempelnde Masse. Auch er verurteilt die Frau zur Passivität, wehrt ihr die positive Arbeit, wehrt ihr die Tat ab. Die Frau wäre da eine Art Seidenraupe, die, mühelos, aus sich selbst, die leuchtenden Seidenfäden spinnt, die zu Stoffen zu verweben dem Mann obliegt. 0 Mulford, du allgütiger Schöpfer sublimer Frauenweisheit, wir wissen dir keinen Dank. Wir hören (lächelnd) die Botschaft, doch uns fehlt der Glaube.

Aber vielleicht wissen wir einem anderen Idealisten Dank, einem Deutschen: Karl Scheffler, seines Zeichens Kunsthistoriker, hat ein ganzes Buch über die Frau in der Kunst verfasst. Auch er weiß, wie der Engländer, Herrliches von den Frauen zu melden. Sie tragen unsichtbare Kronen. Jede Mutter eine Madonna, jede Gattin eine Penelope, „a priori idealisch, weil in ihr alle männlichen Kräfte als Möglichkeiten ruhen“. Seine Frauen erfreuen sich eines „seelischen Universalismus, im harmonischen Gleichklang aller Kräfte“: „Die Frau ist die Allnatur. Sie versteht schlechterdings alles mittels des Instinkts. Was der Mann in der Frau verehrt, ist ihre klare, lautere Natur. Weil sie das Leben freudig bejaht, ist sie voller Güte und Heiterkeit, wo der Mann finster und unfroh sich mit seiner Arbeit müht. In einem Blick von ihr ist schweigende Weisheit des Genies. Im Dasein der Frau ist etwas von der göttlichen Resignation. Die Krone der Weiblichkeit ist das Genie zur Liebe usw. usw.“ Freilich, umsonst ist nichts. Ihre Idealität muss die Frau teuer bezahlen. An Bedingungen sind sie geknüpft. Der sublime Rang wird ihr nur eingeräumt, wenn sie auf geistiges Streben, auf jede Entwicklung ihrer Fähigkeiten verzichtend in dem Schneckenhaus verkrochen bleibt, das die Natur ihr anwachsen ließ. Denn es drohe ihr „Gefahr der Selbstvernichtung, wenn sie ihre Anlagen entwickeln will“.

Dem Willen zur Tat die Möglichkeit ihrer Ausführung zu entziehen, ist so grausam, als wollte man dem Hungrigen die Speise weigern. Am grausamsten aber, sie vor seinen Augen selbst zu essen. „Nahe“, sagt Scheffler, „steht der Frau das Geniale“. Ja wohl, solange ihr Genie gleich dem Veilchen im Verborgenen blüht; flammt es in die Welt hinaus, so wird es ein Schadenfeuer, und die Antifeministen kommen mit den großen Spritzen und löschen, löschen.

Auch deckt es sich nicht recht mit dem Preislied auf das Weib, wenn Scheffler sagt: „In seinem Verhältnis zur Frau hat der Mann im Wesentlichen von je nur zwei Formen gelten lassen, die sehr wohl neben einander zu bestehen vermögen: er hat die Frau geringschätzt oder vergöttert. Zur Geringschätzung neigt der Mann, wenn er über sie denkt. Ein mächtig aufflammendes Gefühl lässt ihn dann aber wieder alle Geringschätzung vergessen und sich ganz einer schönen Verehrung hingeben.“Ob der Mann die Zeiten der Vergötterung und Geringschätzung so einteilt, dass er das Weib vormittags, wenn sein Gehirn noch denkkräftig ist, geringschätzt und sie abends, wenn sanfte Gefühle ihn umnebeln, schön verehrt? Dieses Verhältnis soll also das Normale sein. Soll es das bis in alle Ewigkeit bleiben? Die Dummen und die Bösen mag man geringschätzen, nicht aber Millionen von Menschen, nur, weil sie keine Männer sind. „So Weiber männisch werden, da müssen die Männer weibisch werden“ (Scheffler). 0, männliche Logik! Und hätten die Herren mit ihren abfälligen Urteilen über die künstlerischen und wissenschaftlichen Leistungen der Frau tausendmal Recht: für die Frauenforderungen der Gegenwart wäre das völlig indifferent. Will die Frau ein mittelmäßiges Buch schreiben oder ein unbeträchtliches Bild malen, wie dürfte man ihr die Feder oder den Pinsel aus der Hand schlagen, solange man nicht dem mittelmäßigen Maler oder Schriftsteller dasselbe tut? Wenig, wenig mögen wir Frauen heute noch sein. Aber wir wollen werden. Werden wollen wir. In geistiger Beziehung müssen wir unsere eigenen Mütter sein, Schaffende unserer Persönlichkeit.

Nur das Leben selber schafft neues Leben. Und wer Sinne hat (und nicht Dogmen an deren Stelle), der fühlt aus dem Chaos der Gegenwart mit dem andern Neuen auch die neue Frau entstehen. Ihre frische Schönheit zu sehen, dazu gehören freilich frische Augen. Doch die bringt das Leben schon: trotz der Wut der Materialisten und der Wehleidigkeit der Idealisten des Antifeminismus.

(Quelle: Dohm, Hedwig (1912): Frauenverehrer & Antifeminismus. – In: EMMA, Nr. 5, 2006, S. 45)

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