Kate Millet – Sexus und Herrschaft

Fast ein wenig untergegangen ist Kate Milletts ‚Sexus und Herrschaft‘ damals – eines der Bücher, das zwar in allen Bücherregalen steht, aber noch längst nicht wirklich von allen gelesen wurde. Erstmals in Deutsch erschien es 1969 – zu früh. In diesem ersten Buch (das ursprünglich eine Doktorarbeit war) beginnt Kate Millett ihre Analyse, die sie seither mit Rigorosität und Brillanz weitertreibt. Zwei Aspekte interessieren sie dabei vor allem: erstens die Frage nach der Funktion der Sexualpolitik, zweitens die nach unseren inneren Fesseln.

Kate Millet, 1969

„Ich bat sie, das Bad für mich einlaufen zu lassen. Sie tat so, als könne sie sich nicht dazu entschließen, tat es aber dann doch. Eines Tages, als ich in der Wanne saß und mich abseifte, bemerkte ich, daß sie die Handtücher vergessen hatte. »Ida«, rief ich, »bring mir ein paar Handtücher!« Sie kam ins Badezimmer herein und brachte sie mit. Sie hatte einen seidenen Morgenmantel und Seidenstrümpfe an. Als sie sich über die Wanne beugte, um die Handtücher auf das Gestell zu hängen, öffnete sich ihr Morgenmantel eine Handbreit. Ich kniete mich hin und vergrub meinen Kopf in ihrem Vlies. Es ging so schnell, daß sie nicht Zeit hatte, sich dagegen zu wehren oder auch nur so zu tun, als wehrte sie sich dagegen. Im nächsten Augenblick hatte ich sie samt Strümpfen und allem in die Wanne gezogen. Ich streifte ihr den Morgenmantel ab und warf ihn auf den Boden. Die Strümpfe durfte sie anbehalten – das ließ sie lüsterner, mehr nach dem Cranach-Typ aussehen. Ich legte mich zurück und zog sie auf mich. Sie war wie eine läufige Hündin, biß mich überall, schnappte nach Luft und wand sich wie ein Wurm am Angelhaken. Als wir uns abtrockneten, beugte sie sich herunter und fing an, an meinem Schwanz zu lecken. Ich saß auf dem Rand der Wanne, und sie kniete, ihn gierig verschlingend, zu meinen Füßen. Nach einer Weile ließ ich sie aufstehen und sich bücken. Dann besorgte ich es ihr von hinten. Sie hatte ein kleines, saftiges Loch, das mir wie ein Handschuh paßte. Ich biß in ihren Nacken, ihre Ohrläppchen, die empfindliche Stelle ihrer Schulter, und als ich mich von ihr löste, hinterließ ich das Mal meiner Zähne auf ihrem schönen weißen Hintern. Nicht ein Wort wurde zwischen uns gesprochen.“

Diese farbenreiche Beschreibung stammt aus Henry Millers berühmtem Roman Sexus, der in den vierziger Jahren in Paris veröffentlicht wurde, aber von den hygienischen Küsten Amerikas bis zur Herausgabe durch die Grove Press 1965 verbannt war. Miller, alias Val, erzählt, wie er Ida Verlaine, die Frau seines Freundes Bill Woodruff, verführt. Als Sexualbericht enthält der Auszug jedoch wesentlich mehr als die Beschreibung der rein biologischen Handlung, die der Erzähler mit »Ficken« bezeichnet. Ja, es ist gerade dieser andere Inhalt, der dem Vorfall seinen Wert und Charakter gibt.

Was der Leser hier aus zweiter Hand erlebt, ist ein beinahe übernatürliches Machtgefühl – falls der Leser ein Mann ist. Der Auszug bezeugt ein lebhaftes und einfallsreiches Ausnutzen von Umständen, Detail und Zusammenhang, dazu bestimmt, die Erregungen des Geschlechtsaktes zu provozieren. Gleichzeitig bedeutet er eine männliche Machtbestätigung durch eine schwache, gefügige und ziemlich unintelligente Frau. Es handelt sich um einen Fall von Sexualpolitik auf der untersten Ebene.

Zweifellos ist der letzte Satz unseres Zitats der beredteste: »Nicht ein Wort wurde zwischen uns gesprochen.« Wie ein Cowboy, der sich niemals herabläßt, seinen Hut abzunehmen, hat auch Val den ganzen Schlachtplan, einschließlich des coup de grâce, ausgeführt, ohne sich auf ein einziges menschliches Wort einzulassen. Da Frauen in einem Patriarchat meist nur »Randbürger« sind, wenn sie überhaupt Bürgerrechte genießen, gleicht ihre Situation der anderer Minoritäten, wobei unter einer Minorität hier nicht die zahlenmäßige Unterlegenheit einer Gruppe verstanden wird, sondern deren niedrige Rangordnung. »Eine Minorität ist eine Gruppe von Menschen, die aufgrund ihrer körperlichen oder kulturellen Eigenschaften aus der Gesellschaft, in der sie leben, für eine andersartige und ungleiche Behandlungsweise ausgesondert sind.«

Selbst das wenige, was die Sozialwissenschaften in diesem Zusammenhang in Erfahrung gebracht haben, bestätigt, daß die Frauen die bei einer Minorität zu erwartenden Charakteristiken aufweisen: Gruppenselbsthaß und Selbstablehnung, Verachtung sowohl ihrer selbst als anderer Frauen.

Doch ist die Erziehung zur Passivität in einem Patriarchat meist so wirkungsvoll, daß Frauen selten extrovertiert genug sind, um aus ihrem Mißverhältnis zur Gesellschaft heraus den Weg ins Verbrechen einzuschlagen. So wie jedes Mitglied einer Minorität die Exzesse eines anderen Mitgliedes entweder entschuldigen oder mit lautem Enthusiasmus verdammen muß, so sind auch Frauen in der Kritik ihrer Artgenossinnen typisch hart, rücksichtslos und ängstlich. Der nagende Zweifel, der viele Mitglieder einer Minorität quält, daß nämlich der über ihre Unterlegenheit verbreitete Mythos letzten Endes doch stimmen könnte, hat in der persönlichen Unsicherheit der Frauen phantastische Proportionen angenommen. Manche finden ihre untergeordnete Position so schwer zu ertragen, daß sie deren Existenz überhaupt nicht anerkennen und glattweg leugnen. Eine große Anzahl jedoch erkennt die Umstände klar und gibt sie auch zu, wenn sie mit den richtigen Worten beschrieben werden. Bei zwei Rundfragen, in denen Frauen gefragt wurden, ob sie lieber als Männer geboren wären, wurde diese Frage in der einen Studie von einem Viertel der Frauen, in der anderen von der Hälfte bejaht.

Vergleiche, die Myrdal, Hacker und Dixon zwischen den Attributen von Schwarzen und von Frauen angestellt haben, zeigen, daß beiden Gruppen dieselben Merkmale zugeschrieben werden: niedrigere Intelligenz; Befriedigung der Instinkte oder Sinne; eine emotionelle Natur, die zugleich primitiv und kindlich ist; eine vorgespielte Begabung oder Affinität für das Sexuelle; eine Zufriedenheit mit dem Schicksal, was zugleich der Beweis für seine Angemessenheit ist; eine listige Angewohnheit zu täuschen und die Gefühle zu verbergen. Beide Gruppen sind zu denselben Besänftigungstaktiken gezwungen: zu einem sich anbiedernden Benehmen, das dazu erfunden ist, zu gefallen; sie zeigen eine Tendenz, die schwachen Punkte zu studieren, in denen die dominierende Klasse dem Einfluß oder der Korruption erliegen könnte; und sie spielen eine Hilflosigkeit vor, die sich trügerischer Bitten um einen Rat unter Demonstration der eigenen Unkenntnis bedient.

Es ist eine Ironie, wie die frauenfeindliche Literatur sich jahrhundertelang gerade auf diese Charakterzüge konzentrierte und ihre Attacken auf die femininen Täuschungsmanöver und ihre Verderbtheit gerichtet hat, dabei vor allem aber auf den Aspekt, der mit dem Sexuellen oder, wie solche Quellen es ausdrücken, mit der »Geilheit« zu tun hat.

(Auszug in: Schwesternlust & Schwesternfrust – 20 Jahre Frauenbewegung. EMMA Sonderband, Oktober 1991, S. 72.)

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