Pionierinnen der Neuen Frauenbewegung

Barbelies Wiegmann

Pionierinnen der Neuen Frauenbewegung

Barbelies Wiegmann setzte sich als feministische Anwältin für Familienrecht für die Abschaffung und Veränderung frauendiskriminierender Gesetze ein. Sie war Mitgründerin der Frauenband Bonner Blaustrümpfe, die mit Liedern wie dem Patriarchen-Song oder dem Lied vom Frauenhaus auf Frauen-Demos und -Veranstaltungen auftraten.

Studentin im „Männerfach“ Jura

Barbelies Wiegmann wurde 1933 in Bonn als Tochter eines Juristen und einer Hausfrau geboren. Ihre „starke Mutter“, die darunter litt selbst keinen Beruf auszuüben, war „ganz intensiv daran interessiert, dass ich was lernen sollte. Und dass ich studieren sollte.“[1] Auch der Vater bestärkte die Tochter. 1952 begann Barbelies Wiegmann mit ihrem Jurastudium.

Sie war eine der ganz wenigen Frauen im ‚Männerfach‘ Jura und erlitt heftige Diskriminierung durch Professoren, aber auch durch Kommilitonen. „Wir waren damals fünf Prozent Frauen im Studium. Und da weiß ich noch: Als der Professor was fragte und ich sagte was – ich glaube, es war sogar was Lateinisches – da drehte sich so ein Kollege um und sagte: ‚Wenn die Mädchen doch lieber kochen lernen würden!‘“[2]

Zu diesem Zeitpunkt wurden Frauen noch gesetzlich, vor allem im Familienrecht, massiv benachteiligt. Der Ehemann durfte zum Beispiel über das Vermögen seiner Frau verfügen (bis 1958) und ihr die Berufstätigkeit verbieten (bis 1977). Das Scheidungsrecht funktionierte nach dem Schuldprinzip. Eine ‚schuldig‘ geschiedene Frau hatte kein Recht auf Unterhalt und stand in der Regel mittellos da. Die Jurastudentin besuchte Versammlungen des Juristinnenbundes, der gegen die Ungleichbehandlung der Frauen und für eine Reform des Familienrechts kämpfte. Doch noch engagierte sich Wiegmann nicht selbst gegen die „unerhörten Gesetze. (…) Aber die Empörung ist langsam gewachsen.“[3]

Doppelbelastung durch Familie und Beruf

Endgültig radikalisiert wurde Barbelies Wiegmann durch ihre eigene familiäre Situation: „Ich glaube, ich bin zum ersten Mal wach geworden, als ich Kinder hatte und merkte: Kinder und Beruf – das geht offenbar gar nicht.“[4] Wiegmann, die nach Abschluss ihres Studiums begann, als Rechtsanwältin zu arbeiten, tat dies selbstverständlich von zu Hause aus und war gleichzeitig für die beiden Kinder zuständig. Ehemann Werner war ebenfalls Jurist und arbeitete als Beamter im Ministerium für Entwicklung. Für ihn war es selbstverständlich, dass er nicht für die Familienarbeit zuständig war. „Dass Männer im Beruf zurückstecken, das war überhaupt noch kein Gedanke.“[5]

Die Bonner Blaustrümpfe

Die Anwältin haderte immer stärker mit den Einschränkungen, die die traditionelle Frauenrolle ihr auferlegten: „Die wurmte immer mehr und ich dachte: Wie komm ich da eigentlich raus?“[6]

Anfang der 1970er Jahre wurde Barbelies Wiegmann Mitglied im Bonner Frauen-Forum, das sich im Zuge der aufkeimenden Frauenbewegung gegründet hatte. Dort gründete sie, gemeinsam mit der Schriftstellerin Caroline Muhr und der Musikerin Inge Latz, 1973 die Bonner Blaustrümpfe: eine achtköpfige Musikgruppe, die Muhrs feministische und von Latz vertonte Texte aufführte. Barbelies Wiegmann spielte in der Band Gitarre.

Die Gruppe gab eigene Konzerte oder trat bei Frauenaktionen auf und begleitete auf der Straße die Demonstrationen gegen den § 218. „Ja, wir sind getingelt und waren sehr begehrt. Wirklich, das war ganz wunderbar. Weil da wirklich sehr freche Texte waren.“[7] Die Lieder der Bonner Blaustrümpfe, die auch auf LP erschienen, hießen Der Patriarchen-Song, Das Lied vom Frauenhaus oder Wir fahren nach Holland nicht der Tulpen wegen. „Bei den Bonner Blaustrümpfen, kann ich sagen, da bin ich als Feministin erwacht.“[8]

Barbelies Wiegmann war auch Mitorganisatorin von Protestaktionen, so zum Beispiel eine Aktion anlässlich des UNO-Jahres der Frau 1975: Weil im offiziellen Bundesgremium, das das ‚Jahr der Frau‘ für Deutschland organisieren sollte, „zu 90 Prozent Männer waren“[9], verkleiden sich die Aktivistinnen als Putzfrauen und flankieren skandierend den Einmarsch zum Festakt in der Bonner Beethovenhalle. „Und abends (…) haben die Medien nur darüber berichtet. Das fanden wir natürlich ganz toll. (…) Und da merkten wir schon, dass (…) überall im Land sich was tat in Sachen Frauen.“[10]

Einsatz gegen das diskriminierende Familienrecht

Als Anwältin spezialisierte sich Wiegmann auf das Familienrecht: „Ich hab gemerkt wie eigentlich die Rechtslandschaft aussah für Frauen. (…) Vor allen Dingen bei Trennung und Scheidung, wo ich sah, dass die Frauen, die (…) den Kindern zuliebe zu Hause geblieben waren, keinen Beruf ausgeübt oder den Beruf aufgegeben hatten – bei einer Scheidung ganz schlimm dastanden. (…) Oft waren sie auf Sozialhilfe angewiesen. Ich habe mich da wirklich sehr für Frauen eingesetzt, und zwar aus vollem Herzen, weil ich das so ungerecht fand.“[11]

Barbelies Wiegmann setzte sich aber nicht nur individuell für ihre Klientinnen ein, sondern versuchte mit ihrer Teilnahme an Hearings oder Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben Einfluss auf das diskriminierende Familienrecht zu nehmen. Wiegmann wurde eine gefragte Expertin, die in Talkshows und anderen Medien – so auch in EMMA – ihren feministischen Standpunkt im Hinblick auf die diskriminierende Rechtslage öffentlichkeitswirksam vertrat. 1980 erschien von ihr das Buch Ende der Hausfrauenehe. Plädoyer gegen eine trügerische Existenzgrundlage.[12]

Fraueninitiative 6. Oktober

Im gleichen Jahr wurde sie Mitgründerin der Fraueninitiative 6. Oktober. In der von Hannelore Fuchs initiierten Gruppe waren überwiegend SPD-Frauen aktiv. Die waren nach der Bundestagswahl am 5. Oktober 1980 enttäuscht, dass wieder einmal kaum Frauen in die Regierung kamen und die Frauenfrage in der Schmidt-SPD eine untergeordnete Rolle spielte. Die Fraueninitiative 6. Oktober veranstaltete von nun an jährlich Kongresse zu feministischen Themen.

Barbelies Wiegmann setzte sich als Anwältin und später als Mediatorin weiter dafür ein, dass Frauen in Scheidungs- und Sorgerechtsverfahren ihr Recht bekamen.

Startseite Pionierinnen

Videoclips

Interviewtranskript

Fußnoten

[1] P20-Wieg-01, Interview mit Barbelies Wiegmann, Transkript, S. 1.

[2] Ebenda, S. 1.

[3] Ebenda, S. 1.

[4] Ebenda, S. 1.

[5] Ebenda, S. 2.

[6] Ebenda, S. 3.

[7] Ebenda.

[8] Ebenda.

[9] Ebenda, S. 4.

[10] Ebenda.

[11] Ebenda, S. 5.

[12] Wiegmann, Barbelies: Ende der Hausfrauenehe: Plädoyer gegen eine trügerische Existenzgrundlage, Hamburg 1981.

 Gefördert von:

Diese Webseite verwendet Cookies.

Weitersurfen bedeutet: Zustimmung zur Cookie-Nutzung.

Mehr Informationen

OK