Er brachte das Fass zum Überlaufen: Als Christiane Schmerl diesen Aschenbecher in einem Restaurant auf den Tisch gestellt bekam, reichte es ihr. Zusammen mit Gerd Fleischmann konzipierte sie die erste Ausstellung in der BRD, die Sexismus in der Werbung zum Thema machte: „Die Spitze des Eisbergs“.
Auf dem Aschenbecher ist die Karikatur eines Waldarbeiters zu sehen, der einer davonlaufenden Frau das Bikinioberteil herunterreißt. Auf dem Boden vor ihnen liegt prominent in der Mitte der Lichtung des Waldes eine Kettensäge mit dem Namen der Marke. Die Frau ruft dem Waldarbeiter zu: „Nutzlos!… Da du mich für deine Stihl verlassen wirst…„. Am unteren Rand des Aschenbechers ist triumphierend zu lesen: „Stihl-Kettensägen… Königin des Waldes“. Die Firma produzierte noch weitere Versionen des Aschenbechers, beispielweise auf Französisch, die ähnlich sexistisch gestaltet waren.
Nachdem die Bielefelder Sozialpsychologin und Universitätsprofessorin Christiane Schmerl diesen Aschenbecher im Restaurant auf den Tisch gestellt bekommen hatte, initiierte sie mit Gerd Fleischmann die Ausstellung „Die Spitze des Eisbergs – Frauenfeindlichkeit in der Werbung“. Sie zeigte frauenfeindliche Werbe-Anzeigen aus Illustrierten Zeitschriften von 1975 bis 1980, eine Auswahl an „Extremfällen“ der herabwürdigenden Art, mit der Frauen in der Werbung gezeigt wurden – die Spitze des Eisbergs eben.[1]
Die Ausstellungstafeln gliederten AusstellungsmacherInnen in sieben „Rezepte“, die mit je unterschiedlichen „Zutaten“ die Herabwürdigung von Frauen in der Werbung in Szene setzten. Dazu zählten zum Beispiel die Frau als sexuelles Spielzeug des Mannes, unerreichbare Schönheitsstandards oder männlicher Zynismus auf Kosten der Frau.[2]
Im Zuge der Vorbereitungsarbeiten zu Dokumentation und Ausstellung reichten Schmerl und Fleischmann außerdem eine Beschwerde mit 260 Unterschriften beim Deutschen Werberat ein – ein Organ der freiwilligen Selbstkontrolle der Branche. Eine ähnliche Initiative hatte es schon 1974 in Berlin gegeben, und wie damals reagierte der Werberat mit einer allgemeinen Forderung an die Werbewirtschaft, Frauen „nicht herabzuwürdigen“.[3] Was als Herabwürdigung einzustufen war und wie etwaige Verstöße dagegen geahndet werden sollten, darüber hüllte sich das Gremium in Schweigen.
Die Ausstellung reiste ab 1980 als Wanderausstellung 15 Jahre durch die Bundesrepublik und regte zahlreiche weitere Ausstellungen an. Heute bewahrt der FMT die Originalaufsteller auf. Außerdem hat uns Christiane Schmerl weitere Unterlagen zur Ausstellung übergeben: Korrespondenz, Berichterstattung, Resonanz und ihre Forschungssammlung.
Auch der Stein des Anstoßes, unser Fundstück des Monats, hat seinen Platz in dieser Sammlung. Und erregt weiterhin Anstoß – im Jahr 2024 allerdings aus entgegengesetztem Grund: Das auch heute noch bekannte Industrieunternehmen, dass einst den Aschenbecher an seine Kunden verschenkt hatte, wird gar nicht gerne an seine Werbung aus den 1970er Jahren erinnert. Als wir für diesen Beitrag um die Bildrechte baten, reagierte die Presseabteilung des Unternehmens mit einem klaren „Nein“. Man wolle nicht mehr mit einem solchen Objekt in Verbindung gebracht werden, die Abbildungen auf dem Aschenbecher entsprächen nicht mehr den Werten des Unternehmens, deshalb solle von einer Veröffentlichung abgesehen werden. Wir werten das mal als Fortschritt und zeigen nun den Aschenbecher von Christiane Schmerl, gerade deswegen.
[1] FMT, ME.07.012 Schmerl, Fleischmann: Materialien zur Frauenfeindlichkeit in der Werbung, 1980, S.6.
[2] Schmerl, Christiane; Fleischmann, Gerd: Materialien zur Frauenfeindlichkeit in der Werbung, Bielefeld 1980, S. 25 – 37.
[3] FMT, ME.07.003 Schmerl, Christiane: Frauenfeindliche Werbung. Sexismus als heimlicher Lehrplan, Berlin 1981, S. 3; FMT, P06-Schm-2, Frauen und Werbung, Ausstellung, Anfragen, Resonanz, Schriftverkehr.