Ingrid Strobl: Wider den Hausfrauenlohn!

Ingrid Strobl, 1975

Lohn für Arbeit, ja oder nein? Die Kontroverse tobte in den Jahren 73/74. Die Frauen, die dafür waren, beriefen sich auf Dalla-Costa. Die, die dagegen waren, griffen selbst in die Tasten. Und das sehr energisch. Denn eines war gleich klar: hier galt es, sehr grundsätzlich Stellung zu beziehen zu Fragen des weiblichen Selbst- und Rollenverständnisses. Den nachfolgenden Text schrieb Ingrid Strobl, heute Emma, damals noch Frauenbewegung Wien, der Text erschien in dem österreichischen Feministinnenblatt AUF.

Also, da heißt es, die Forderung nach Lohn für Hausarbeit sei die revolutionärste Forderung der Frauenbewegung. Und zwar deshalb: Die Forderung ist für jede Frau wichtig und interessant, daher werden wir damit viele Frauen vereinen zum gemeinsamen Kampf. Die Forderung kann vom Kapitalismus nicht erfüllt werden, daher ist sie systemsprengend. Alles, was beim Staat vielleicht drin ist, ist ein Taschengeld, aber damit werden sich die Frauen — nach der langen Kampferfahrung — nicht zufrieden geben. Die Hausarbeit wird gesellschaftlich erst als Arbeit anerkannt, wenn sich die Anerkennung in Form von Lohn ausdrückt. Das Selbstbewußtsein der Frauen steigt enorm, wenn sie sehen, daß ihre Arbeit nicht stillschweigend übergangen wird, sondern ihren Wert hat. Und dann das Wichtigste: Geld ist Macht. Wir Frauen brauchen in unserem Kampf in erster Linie Macht. Das heißt Unabhängigkeit, und die erstmal vom Ehemann.

Das alles klingt ja sehr verlockend. Vor allem wenn man das Elend der meisten Hausfrauen täglich vor sich hat. Wir wären doch blöd, wenn wir das Geld verweigerten, sollen wir denen auch noch was schenken, denen werden die Augen aufgehen, wenn die sehen, wieviel da bisher gratis gemacht wurde! Endlich mal den Mann nicht mehr um jeden Groschen betteln müssen, endlich mal stolz mit dem Selbstverdienten auf Einkaufsbummel gehen.

Ja, wie gesagt, das klingt alles sehr verlockend, ein guter Happen, nach dem man gerne schnappt, das sind Argumente, die einleuchten. Bloß sind sie verdammt kurzsichtig. Sie sehen bloß den Happen, nicht aber den Faden, an dem er hängt, und nicht, daß der Faden eine Angel ist, und nicht die Hände, die diese Angel festhalten.

Warum kommen die bürgerlichen Parteien plötzlich auf die Idee, für etwas Bezahlung zu fordern, das bisher im Rahmen ihrer Ideologie als selbstverständlich gegolten hat? Warum wollen die, die alles tun, damit die Frau aus ihrer Rolle nicht ausbricht, nun in den Bereich der Hausarbeit, diesen geheiligten Bereich weiblicher Hingabe und Liebe, so etwas Schmutziges, Materielles wie Geld einbringen? Weil eben der Bereich nicht mehr so heilig ist, weil die Frauen sich ihren edelsten Aufgaben nicht mehr ganz so hemmungslos hingeben. Immer mehr Frauen haben es satt, allein zu Hause zu schuften, immer mehr gehen arbeiten. Wenn sie auch nicht so viel verdienen, so kriegen sie doch Kontakte. Informationen und ein bißchen Anerkennung, wenigstens mehr aus zu Hause. Frauen sind ja so bescheiden! Nur deshalb können es sich die Unternehmer leisten, Frauen weniger zu zahlen als Männern, nur deshalb konnte der Teilzeitmarkt zu so einem Erfolg werden, nur deshalb gibt es kaum Frauenstreiks.

Und da jede Frau als Hausfrau gezählt werden kann, braucht sie nicht als arbeitslos zu gelten – eine bequeme Art, die Statistiken zu frisieren. Bequem allerdings nur wenn die Frauen sich das gefallen lassen. Und das funktioniert nicht mehr ganz so gut wie früher, immer mehr werden aufmüpfig.

Also, was tun? Man muß diese industrielle Reservearmee, die man sich in besseren Zeiten aufgebaut hat, nun schleunigst wieder los werden, mit schönen Worten ist es diesmal nicht getan – dann muß man es eben mit Geld versuchen. Viel muß es nicht sein, die sind ja an wenig gewöhnt, es wird zwar trotzdem eine Unsumme, aber letztlich ist das profitabler, als wenn die in ihrer Empörung auf abwegige Ideen kommen, und womöglich den Haushalt gar nicht mehr machen wollen. Won dieser Seite ist also die Forderung nach Haus.arbeitslohn sehr logisch und völlig legitim.

Warum aber sollen wir von der Frauenbewegung mit derselben Forderung auftreten? Worauf lassen wir uns da ein: Wir fordern Lohn für Hausarbeit, aber wirklich LOHN, das heißt, eine Summe, die der kapitalistische Staat nicht aufbringen kann. Irgendwann im Laufe unseres Kampfes wird dann ein „Hausfrauengehalt“ eingeführt, ein lächerliches Taschengeld, so wie die bürgerlichen Parteien sich das vorstellen. Und das in absehbarer Zeit, bevor die Frauen sich so richtig radikalisiert haben. Die meisten von uns, gewöhnt daran, gar nichts zu kriegen, werden für das bißchen dankbar sein, und nicht mehr weiter aufmotzen. Und wie sieht dann unsere Situation aus?: Wir müssen sagen, das wollten wir nicht, damit sind wir nicht zufrieden, wir wollen zwar, daß die Hausarbeit bezahlt wird, aber eigentlich wollen wir uns von unserem Rollenverhalten befreien, wir wollen, daß dieHausfrau anerkannt und entlohnt wird, wie jede berufstätige Frau, aber jedes Mädchen soll einen Beruf erlernen, wir fordern die Aufhebung der geschlechtsspezifischen Erziehung, aber Hausarbeit soll als Beruf gelten. Wir manövrieren uns da in ziemlich schlimme Widersprüche hinein! Wider Sprüche, die wir auch kaum vermitteln können, mit denen wir uns unglaubwürdig machen.

Aber nun abgesehen von der Theorie, wie sieht denn die Praxis aus, die Realität der Hausfrau, und wie würde sie sich ändern in Folge des Hausarbeitslohns? Nach jüngsten Untersuchungen in der BRD finden 82% der Mütter von Kindern unter 15 Jahren, „daß erwerbstätige Frauen ein ein anregenderes und interessanteres Leben führen als Nur-Hausfrauen“. Demgegenüber steht die inzwischen viel zitierte Untersuchung von Helge Pross für die Zeitschrift Brigitte, die ergab, „Die Hausfrauen sind zufrieden“: Auf die Frage, ob die Frauen, wenn sie wählen könnten, jetzt Beruf oder Haushalt vorziehen, entschieden sich 40% für den Beruf, 41 % dagegen. Der Unterschied zwischen den beiden Untersuchungen liegt an der Feststellung: Es ist doch was anderes, ob eine Frau sich wünscht, sie könnte wieder in den Beruf zurück, oder ob sie sagen muß, ob sie jetzt, sofort, unter den gegebenen Bedingungen arbeiten gehen würde. Sämtliche Untersuchungen und Analysen, Wünsche und Hoffnungen scheitern an der Doppelbelastung der Frau. Sie KANN jetzt nicht arbeiten gehen, weil die Kinder noch zu klein sind, sie SOLL jetzt nicht arbeiten gehen, weil die 80-Stun-den- Woche der berufstätigen Hausfrau und Mutter sicher keine echte Befreiung bringt.

Aber warum wünschen sich so viele Frauen und Mütter zurück in den Beruf, trotz Doppelbelastung und Unterbezahlung? Weil sich in ihnen etwas rührt, kleine, nagende Zweifel an der unbedingten Verpflichtung der Frau, kochen, putzen, waschen, spülen, den ganzen Dreck machen zu müssen -aus Liebe, ohne jede Form von Anerkennung, weder gesellschaftlich noch privat. Weil sich in ihnen etwas regt, das Bedürfnis, ein selbständiger Mensch zu sein. Weil sie die Abhängigkeit satt haben, von Geld, Prestige, Launen, Gnade des Ehemannes. Weil sich in ihnen etwas breit macht, das flüstert, stupst, schreit, ich will selber was machen, ich will selber über mich entscheiden können, ich will mein eigener Mensch sein!

Oft bleibt es dabei, es rührt, regt, bewegt sich und wird runtergeschluckt, bis die Mundwinkel sich bitter verziehen. Es bleibt beim Wunsch, besser Bedürfnis, weil die Realität so hart ist, weil sie nur durch Kampf veränderbar ist, weil wir nicht zum Kämpfen erzogen werden. Wir werden nur weiter kommen, wenn wir kämpfen. Doch wofür kämpfen, wofür etwas erlernen,das uns bislang fremd war, wofür all unsere Kräfte einsetzen? Damit die alten Rollen verfestigt werden, die Situation der Frau sich auch in Zukunft nicht ändert, die Torte aus täglichem Dreck mit Zuckerglasur überzogen wird? Wollen wir denn in alle Zukunft Hausfrauen bleiben, wollen wir weiterhin in unserem kleinen Gefängnis Dienstleistung betreiben?

Frage an wie üblich wohlinformierte Quellen: Wer wird sich am meisten über den Hausarbeitslohn freuen? Antwort: Die Firma Hoffmann la Röche, denn der Konsum von Valium und Librium wird enorm steigen. Warum ist denn eine Million englischer Hausfrauen valiumsüchtig, warum erleben jährlich 60 000 Frauen in der BRD einen Zusammenbruch, warum gibt es eigentlich das sogenannte „Hausfrauensyndrom“? Weil die Hausfrauen so zufrieden sind, weil sie ihre Arbeit so gerne tun, weil sie sich so ausgefüllt fühlen ?

Die Qualität der Hausarbeit wird sich nicht wesentlich ändern, wenn sie bezahlt wird. Und was heißt hier überhaupt bezahlt! Die Gesellschaft der Hauswirtschaft errechnete für eine Durchschnittshausfrau ein Gehalt von 1800 DM monatlich (= ca. 12000 ÖS). Es ist ganz klar, daß der Staat unfähig ist, diese Summe auszubezahlen. Im Gespräch sind derzeit 300 DM (= ca. 2000 ÖS). In einem konkreteren Stadium der Auseinandersetzten wird sich auch diese Summe als illusorisch erweisen. Aber angenommen, die Hausfrau kriegt nun wirklich ihre 2000 ÖS monatlich, was hat sich dadurch für sie verändert? Der Käfig hat goldene Gitter bekommen.

Wie ideal, für alle, die ein Interesse daran haben, daß sich nichts ändert! Die Rolle der Frau wird voll erhalten, kriegt sogar Prestige durch das bißchen Geld, die Mädchen werden wieder von klein auf ihre Rolle hin erzogen wie jeder andere. In Kindergärten und Schulen werden uns wieder hemmungslos junge Mathematiker und Installateure, und strick-, schreib- und waschmaschinenfeste Köchinen herangezüchtet:

Die Hausfrau ist wieder in. Nostalgie, Nostalgie! Mit Hitler werden auch wieder die alten Normen verklärt, ach damals! Und für diese Idylle kriegen die Frauen auch noch bezahlt, werden die Männer klagen, warum bloß geben sie dann nicht ihren Beruf auf zugunsten der Idylle, lasten ihrer Frau die Hetzerei, Hektik, Arbeit im Büro auf, um sich behaglich in die warme Küche zurückzuziehen? Warum wohl? Weil die Idylle für sie der Horror wäre. Weil für sie Beruf nicht Doppelbelastung heißt.

Also eins fällt doch spätestens jetzt auf: immer und überall stoßen wir auf diese Doppelbelastung. Die scheint ein wesentliches Hindernis für die Befreiung der Frau zu sein. Und woher kommt sie: Aus dem Rollenverständ-nis der Frau. Die Frau ist ihrer Rolle nach, automatisch Hausfrau, alles andere ist sie zusätzlich. So wird sie gesehen, erzogen, behandelt.

Eine unserer wichtigsten, revolutionärsten Aufgaben ist die Aufhebung der Rollen. Wenn erst das Rollenbild der Frau zerbröckelt, zerstört wird, wird die Unterdrückung klar, eindeutig, sie steht nackt da, ohne Feigenblatt, selbst zerstörbar. Um die Unterdrückung aufzuheben, müssen wir die Rollen zerstören. Lohn für Hausarbeit würde die Rollen verfestigen. Anstatt Lohn für Hausarbeit zu fordern, sollten wir lieber daßr kämpfen, daß die Frauen sich ihrer Rollen bewußt werden und sie ablegen, und die Männer zwingen, dasselbe zu tun.

(Quelle: „So fing es an!“ : Zehn Jahre Frauenbewegung, 1975)

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