Protokoll zum Plenum des Bundesfrauenkongresses am 12. März 1972 in Frankfurt/M.

Beginn: 11.30 Uhr
Diskussionsleitung: Hilde Wackerhagen (Weiberrat)
Katharina Hanstein (Weiberrat)
Almut Aue (Frauenaktion 70)

Die Diskussionsleiterinnen stellen sich vor.

Als erstes wird eine Erklärung für das Fernsehen verabschiedet da die Pressekonferenz zu spät für das Fernsehen ist. Die Erklärung war von verschiedenen Themen- und Städtegruppen erarbeitet. Man einigte sich auf eine Minimalforderung:

„Auf dem Kongress kamen wir überein, uns separat zu organisieren, so lange Frauen in besonderer Weise und mehr unterdrückt sind als Männer. Über unsere Forderung nach ersatzloser Streichung des §218 hinaus fordern wie Gleichstellung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Darum kämpfen wir für die Ermöglichung der Berufstätigkeit aller Frauen durch Aufhebung der individuellen Hausarbeit, für verstärkte gewerkschaftliche Organisation von Frauen, um Forderungen durchzusetzen wie: gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, Abschaffung der Leichtlohngruppen, bessere Ausbildung, mehr Frauen in die Betriebsräte.

Wir rufen alle Frauen auf, sich für die Durchsetzung ihrer berechtigten Interessen selbst zu organisieren.“

Auf diese Erklärung folgte teilweise Protest, nach erneutem Vorlesen durch Abstimmung mit großer Mehrheit aufgenommen.

Beginn der Tagesordnung

Eine Vertreterin der Griechinnen aus dem Antifaschistischen Kampf verliest folgende Grußworte auf dem Podium:

„Wir Griechinnen vom Antifaschistischen Kampf begrüßen die Initiative der deutschen Frauengruppen für die Organisation dieses Kongresses und versprechen, daß wir mit aller unserer Kraft mitmachen werden und daß wir für Gerechtigkeit für alle Frauen dieser Welt sind.“

Diese Erklärung wurde mit großem Beifall beantwortet.

Alle Teilnehmerinnen, die Anträge oder Erklärungen abgeben wollen, tragen sich in die Liste auf dem Podium ein.

Erklärung der 1. Arbeitsgruppe wird verlesen von Gertraud Müller (Aktion 218, Köln)

Gründe für die Selbstorganisation von Frauen:

  1. Frauen müssen sich selbst organisieren, weil sie ihre ureigensten Probleme erkennen müssen und lernen müssen, ihre Interessen zu vertreten. Auf Grund ihrer mangelnden Bildung und Ausbildung sind sie zu wenig motiviert worden, ihre Sache selbst in die Hand zu nehmen.
  2. Es ist unumgänglich, daß wir unsere eigenen Taktiken und Strategien im Kampf um mehr ökonomische und demokratische Rechte lernen und nicht die der Männer imitieren.
  3. Wir beabsichtigen mit einer selbständigen Frauenorganisation nicht, eine „Fraueninsel“ zu schaffen, die nur realitätsferne Isolation bedeuten kann, sondern wir beabsichtigen, als selbständiger Machtfaktor nur mit politisch entsprechenden Organisationen gegen das bestehende System zu kämpfen.
  4. Wir schließen Männer aus unseren Gruppen aus, weil wir die Erfahrung gemacht haben, daß sich Bevormundung und Unterdrückung, die wir in allen Lebensbereichen erfahren, in gemischten Gruppen reproduzieren. Wir wollen in unseren Gruppen die auch von uns Frauen verinnerlichten Autoritätsstrukturen und Herrschaftsmechanismen in Frage stellen und solidarisch abbauen.
  5. Wir betrachten die Männer, auch wenn sie selbst der unterdrückten Klasse angehören, uns gegenüber als Privilegierte. Privilegierte haben ihre Rechte noch nie freiwillig preisgegeben. Deshalb fordern wir: Frauen müssen zu einem Machtfaktor innerhalb der anstehenden Auseinandersetzungen werden.
  6. Ein Hinderungsgrund, sich selbst zu organisieren, ist immer wieder der Legitimationsdruck der Frauen gegenüber den Männern. Wir bekämpfen den Anspruch der Männer, den Schwerpunkt der politischen Arbeit weiterhin allein zu bestimmen.
  7. Wir lehnen es nicht ab, mit den Männern in anderen Organisationen und bei notwendigen Anlässen zusammen zu arbeiten. Allerdings sehen wir die Arbeit in den Frauengruppen nicht als Durchgangsphase an.
  8. Anmerkung zu Punkt 7: Durchgangsphase verstanden als politischer Kindergarten, um dann ganz in den Männerorganisationen aktiv zu werden.“

[…]

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