Die ‚einfache‘ Pornographie ist für Erwachsene freigegeben

Gesetzesänderung tritt heute in Kraft / Bundesregierung erwartet eine Kanalisierung des Angebotes an sexuellen Darstellungen

BONN, 27. Januar (dpa). Das bisher totale Verbot der Verbreitung von Pornographie weicht vom heutigen Dienstag an einer begrenzten Freigabe. An diesem Tag tritt der im Sexualstrafrecht neugefaßte Paragraph 184 des Strafgesetzbuches in Kraft, der die sogenannte einfache Pornographie für Erwachsene freigibt, „harte“ Pornographie aber weiterhin strikt verbietet und auf diese Weise den Jugendschutz verbessern soll. Diese Regelung, die seinerzeit vom Bundestag gegen die Stimmen der CDU / CSU -Opposition verabschiedet worden war, soll das Strafrecht an die veränderte Haltung der Bürger zur Pornographie anpassen.

Mit dem Gesetz wird angestrebt, daß Jugendliche vom Zugang zu Pornographie ganz ausgeschlossen werden und Erwachsene sie nur auf eigenes Verfangen erhalten. Verboten ist, Pornographie an Orten, die Jugendlichen zugänglich sind, in Kiosken, im Versandhandel und in gewerblichen Leihbüchereien, anzubieten. Ebenso wird bestraft, wer Pornographie gegen Entgelt in öffentlichen Filmvorführungen zeigt oder im Rundfunk verbreitet.

Das totale Verbot der „harten“ Pornographie betrifft sexuelle Darstellungen in Verbindung mit Gewalttätigkeiten, mit dem Mißbrauch von Kindern und mit sexuellen Handlungen mit Tieren. Ein Verstoß gegen die neuen Bestimmungen wird in allen Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet.

Die Bundesregierung erwartet eine „Kanalisierung“ des Angebots sexueller Darstellungen. In einem dpa-Interview trat der parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Hans de With, zugleich Vermutungen über eine Ausweitung des Pornographie-Angebots als Folge der strafrechtlichen Lockerung entgegen: „Ich erwarte keine neue Pornowelle. Wer in seinem Kämmerlein Pornographie konsumieren will, kann sie kaufen, und für den darf sie hergestellt werden.“

Der SPD-Politiker räumte ein, daß im Bereich der „harten“ Pornographie ein illegaler Markt in gewissem Umfang weiterhin nicht auszuschließen sei. Es spreche jedoch nichts dafür, daß sich diese Illegalität ausweiten werde. „Man kann im Gegenteil mit den neuen Vorschriften besser als bisher zupacken“, sagte er. Bei einfacher Pornographie gebe es keinen Grund mehr für die Illegalität, da ihre Herstellung und Verbreitung straflos sei.

Für sein« Erwartung, daß es zu keiner neuen Pornowelle kommt, nannte der Staatssekretär folgende Grunde:

Die neuen Strafbestimmungen hätten schon Bedeutung erlangt, weil Staatsanwaltschaften und Richter das neue Recht im Vorgriff auf sein Inkrafttreten bereits seit gut einem Jahr prüfen müßten: sie könnten von der Strafverfolgung abgehen in Fällen, in denen nach den jetzt wirksam werdenden neuen Bestimmungen keine strafbare Handlung vorliegt.

Das Gesetz entspreche der veränderten Haltung der Bevölkerung zum Pornographieproblem. „Hier ist in den letzten fünf Jahren ein fühlbarer Wandel eingetreten.“ Angebot und Nachfrage bei Pornographie würden sich jetzt eher stabilisieren.

Das im Zusammenhang mit Pornographie vieldiskutierte strafrechtliche Verbot der Gewaltverherrlichung, das seit November 1973 gilt, hat nach Angaben de Withs „gewisse Auswirkungen“ im Fernsehen gebracht. Brutale Szenen in bestimmten Sendungen hätten sich verringert und seien weniger hart Der Staatssekretär gab die Erfahrung wieder, daß die Verantwortlichen „wacher“ gegenüber diesem Problem geworden und die Gewaltszenen in den großen Medien „ein klein wenig zurückgegangen“ seien.

(Quelle: Frankfurter Rundschau, 28.01.1975)

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