1985

„Lesben im Faschismus“, FMT, FB.07.212

2. Mai
Ilse Kokula trägt Anfang Mai in der Frankfurter Fachhochschule und im Frauenzentrum Offenbach zu Lesben im Faschismus und in der Weimarer Zeit vor. Diese und ähnliche Veranstaltungen tragen zur lesbischen Erinnerungskultur bei und schaffen ein Geschichtsbewusstsein.

24.-27. Mai
Das Lesbenpfingsttreffen findet in Hamburg statt. Längst ist das Treffen etabliert und jedes Jahr kommen die Besucherinnen in Scharen. Dieses Jahr findet unter anderem eine Informationsveranstaltung über das in Frauen- und Lesbenbewegung kontrovers diskutierte Thema Sadomasochismus statt. Abseits des brisanten Themas kommt vor allem auf dem Fest mit der Frauenband OVA aus Großbritannien eine gute Atmosphäre auf.

Lesbenfest zu Pfingsten, FMT, VAR.01.120

„Die Stimmung war so gelöst, daß sich die Frauen zum Teil ihrer T-Shirts entledigten. Dieses Bild von Frauen mit nacktem Oberkörper vermittelte ein Gefühl von Einheit und Stärke.“[1]

14.-17. Juni
Auf dem 2. Treffen der Lesbenberatungsstellen in Bremen finden sich das Lesbentelephon aus Bremen, der Offene Lesbentreff und Beratung aus Gießen, INTERVENTION e.V. aus Hamburg, die Lesbenberatungsstelle Hollmanstraße aus Berlin, das Lesbentelephon aus Köln, die Lesbenberatung Braunschweig und das Lesben Notruf- und Infotelephon aus Bochum ein.

Die Frauen stellen fest, dass vor allem sexuelle Aufklärungsarbeit einen wichtigen Teil der Lesbenberatung ausmacht, was zeitgleich verdeutlicht, wie groß das „Tabu der weiblichen Sexualität“ in der Gesellschaft ist. Dies zu ändern, ist ein Ziel der Beratungsstellen.

Sappho ´85: Lesben-Kulturwoche, FMT, FB.04.109

Um die Lesbenberatungsstellen zu sichern, werden Finanzierungsmöglichkeiten besprochen. Dabei werden auch Kooperationen mit Parteien und Kommunen in Erwägung gezogen.[2]

September
Ilse Kokula wird für eine Gastprofessur für „Homostudies“ für ein halbes Jahr an die Universität Utrecht berufen. Dort lehrt sie zur Sozialisation und Geschichte lesbischer Frauen.[3]

 26.10-2.11
Mit über 100 verschiedenen Veranstaltungen startet die erste Berliner Lesbenwoche unter dem Motto „Mit allen Sinnen leben!“ Es nehmen zwischen 2.500 und 3.000 Besucherinnen teil. Ein Dauerbrenner ist die Frage danach, ob und wie die Bewegung sich organisieren soll. „Theoretisch waren sich die Frauen weitgehend einig, daß es an der Zeit sei, öffentlicher zu werden und sich zu organisieren. Einige meinten, daß es schon längts bzw. wieder eine Lesbenbewegung gäbe, die allerdings sehr aufgesplittert würde.“ [4] Andere Stimmen meinen, dass „die Chance verpatzt [wurde], in einem bundesweiten Diskussionsforum über den Stand der Lesbenbewegung zu reden. Stattdessen wurden auf dem Podium Klosprüche zur Lesbenphilosophie erhoben…“[5]

Einladung zur 1. Berliner Lesbenwoche, FMT, FB.07.095

Wie schon auf dem Pfingsttreffen 1983 in Osnabrück gehen die Frauen auch auf der Berliner Lesbenwoche auf Abstand von Jill Johnstons Leitspruch „Jede Frau ist lesbisch, manche wissen noch nichts davon“ und ihrer Idee der „Lesbian Nation“. „Ich finde es einfach anmaßend. Es überrollt alle Heterofrauen und alle, die dazwischen leben.“[6]

Der im Jahr zuvor gegründete Schabbeskreis fühlt sich von der deutschen Übersetzung „lesbian nation – lesbisches Volk“ besonders abgestoßen. Der Begriff Volk erinnert stark an die NS-Ideologie. Zusammen mit weiteren Frauen fordert die Gruppe eine Diskussion über Antisemitismus und Rassismus in der Frauen- und Lesbenbewegung. Diese Forderung wird vorerst vom Podium abgelehnt.[7]

16.-20. November
Vierzehn Tage nach der Berliner Lesbenwoche findet in Köln mit dem Sappho Festival ebenfalls eine Lesbenkulturwoche statt. Veranstaltungsort ist das SCHULZ – Schwule und Lesbische Zentrum. Das Programm ist gespickt mit Ausstellungen, Workshops, Filmvorführungen, Vorträgen über Lesben und Alkohol, ältere Lesben, Transsexualität und Bisexualität, gemeinsamen Frühstücken und natürlich, wie sich das für die lesbische Szene gehört, einer großen Fete.[8]

SCHULZ Köln, FMT, VAR.01.103

Dezember
Im Rahmen einer Tagung in der Akademie Bad Boll gründet sich das Netzwerk Lesben und Kirche (LuK). Das Netzwerk versteht sich als „Zusammenschluss von Frauen, die sich in unterschiedlicher Weise dem Glauben und der Kirche verbunden fühlen, die ihr Lesbischsein in Verbindung mit dem Glauben selbstbewusst leben wollen und (…) die die patriarchale Form der Kirche und Gottesdienste kritisieren und nach neuen Formen suchen“.  Die LuK gibt zweimal im Jahr die Zeitschrift LuK-LekTüre mit u.a. Infos, Artikeln und Veranstaltungshinweisen heraus.

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[1] Lesben Pfingsttreffen Hamburg 24.5-27.5.85. In: FAMM, Sommer 1985 (PD.LE.11.03).

[2] Vgl.: Protokoll des 2. Treffen der Lesbenberatungsstellen in Bremen, 14.-17. Juni 1985 (PD.LE.11.03).

[3] Vgl.: Lehrstuhl für Lesbenforschung. In: Lesbenstich, 1/1986 (PD.LE.11.04).

[4] o. A.: Voll daneben. Eine Podiumsdiskussion zum Mißstand der Lesbenbewegung (PD.LE.11.03).

[5] Ebd..

[6] Ebd.

[7] Vgl.: Hentsche, Gitti: Mit Leidenschaft und ohne Organisation. Erste Lesbenwoche in Berlin mit über 100 Veranstaltungen / Eine fest organisierte Lesbenbewegung gibt es auch in Zukunft nicht. In: Taz vom 3.11.1985 (PD.LE.11.03).

[8] Vgl.: PD.LE.11.03.

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