Klebt den Pornographen eine – unter diesem Motto verteilte die Zeitschrift EMMA 1987 den „PorNO“-Aufkleber an ihre LeserInnen. Das war wörtlich gemeint: Mit ihm sollte beklebt werden, was Pornographie enthielt: Sexshops und -kinos, einschlägige Plakate, Zeitschriften und Bücher. Er war Teil einer groß angelegten Kampagne gegen die wachsende Flut erniedrigender sexistischer Darstellungen von Frauen in Medien und Kultur.
„Die Würde der Frau ist antastbar“, titelte die EMMA in der letzten Ausgabe des Jahres 1987. Sie hatte in den beiden vorangegangenen Ausgaben aufgeklärt: Über die internationale Entwicklung der Pornoindustrie, die entwürdigenden Arbeitsbedingungen der Porno-Darstellerinnen und die Auswirkungen des Pornokonsums auf die in erster Linie männlichen Konsumenten. Die Wirkungsforschung hatte den deutlichen Zusammenhang von Pornografie und Gewaltbereitschaft gegenüber Frauen zu diesem Zeitpunkt bereits belegt.
Gemeinsam mit der Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit präsentierte die feministische Zeitschrift außerdem einen Gesetzesentwurf, der eine wirksame Handhabe gegen die frauenverachtende Pornografie bieten sollte, und verschickte ihn im November zum Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen an alle Bundestagsabgeordneten sowie Justizminister Hans Engelhard (FDP) und Familienministerin Rita Süssmuth (CDU). Der Entwurf umfasste eine genaue Definition von Pornographie sowie Klauseln zur strafrechtlichen Verfolgung von Herstellung und Konsum. Er definierte Pornografie als: Verknüpfung sexueller Lust mit der Lust an der Erniedrigung und Gewalt gegen Frauen.[1] Es handelte sich demnach mitnichten um eine „Dämonisierung“ der Sexualität, wie KritikerInnen aus Kultur und Medien sofort unterstellten. Der in EMMA im Dezember 1987veröffentlichte Gesetzentwurf definierte in § 2 Pornografie wie folgt: „Pornografie ist die verharmlosende oder verherrlichende, deutlich erniedrigende Darstellung von Frauen oder Mädchen in Bildern und/oder Worten.“
Der Entwurf knüpfte außerdem an die bereits 1978 ebenfalls von EMMA lancierte Seximus-Klage gegen den Stern an: Das Gesetz sollte die Lücke schließen, die sich im Stern-Prozess offenbart hatte. Ein Kernpunkt des Gesetzentwurfes war deshalb die Forderung einer „Verbandsklage“, die es ermöglicht hätte, dass nicht nur direkt Betroffene, sondern jede Frau gegen pornografische Darstellungen hätte klagen können. Dabei ging es ausschließlich um zivilrechtliche Maßnahmen, nicht um strafrechtliche.
Am Tag nach der Verschickung des Entwurfs lud die EMMA-Redaktion zur Diskussion im Kölner Volkshochschul-Forum. Über den EMMA-Gesetzesentwurf und das im EMMA-Verlag erschienene Buch der anwesenden Anti-Porno-Aktivistin Andrea Dworkin diskutierten mit Rita Süssmuth (CDU) und Renate Schmidt (SPD) neben Alice Schwarzer weitere Unterstützerinnen der Kampagne. Außerdem auf dem Podium saßen Verena Krieger (Die Grünen), Markus Peichl (Chefredakteur von TEMPO) und Hellmuth Karasek (Kultur-Chef des Spiegel). Der Saal war voll und weitere 1000 Menschen kamen erst gar nicht hinein. Ein Ausschnitt der Diskussion ist hier nachzulesen.
Im Dezember legte die Zeitschrift noch einmal nach: Nun gab es konkrete Handlungsvorschläge für alle, die gegen Pornographie vorgehen wollten, unter anderem die dem Heft beigelegten „PorNO“-Aufkleber. Der Gesetzgeber rührte sich erst wieder im September 1988: Auf Initiative der Bundestags-Abgeordneten Renate Schmidt berief die SPD ein Hearing ein, um über den Gesetzesentwurf zu debattieren. Vier von fünf RechtsexpertInnen plädierten für die „Verbandsklage“. Dennoch blieb das Hearing folgenlos.
Die Kampagne erreichte aber ein wichtiges Ziel: Über den Umgang mit Pornographie wurde nun breit diskutiert und vielfach auch gehandelt. In zahlreichen Städten entstanden neue feministische Anti-Porno-Gruppen.
Auch das Medienecho war groß: Sowohl in der Mainstreampresse und ihren Leserbrief-Spalten als auch in der feministischen Alternativpresse wurde kontrovers diskutiert. Die schärfste Kritik kam u.a. aus der Schwulenbewegung und aus Kreisen der Pro-Prostitutions-Lobby. Die hatte bereits versucht, die Auslieferung der November-Ausgabe zu behindern.
Bis heute ist weder ‚Frauenhass‘ eine juristische Kategorie, noch gibt es ein Gesetz gegen Pornografie. Durch die sogenannten neuen Medien bekam das Thema vor allem ab den 2000er Jahren eine neue Dringlichkeit. Zugang, Vervielfältigung und Konsum pornographischer Inhalte waren um ein Vielfaches einfacher geworden, die Konsumenten immer jünger und die abgebildete Gewalt brutaler und häufiger. 2007 startete EMMA deshalb mit einer Neuauflage der PorNo-Kampagne – vergeblich. Das Milliardengeschäft mit der Pornographie brummt heute besser denn je. Mehr zur langen Geschichte der feministischen Kämpfe gegen Pornographie und den aktuellen Sachstand findet ihr bei uns im Turm und auf unserer Themenseite.
[1] Gesetzesentwurf, abgedruckt in: Emma, 1987, H. 12, S. 20 – 21.
[2] Dworkin, Andrea: Pornographie. Männer beherrschen Frauen, Köln 1987.