Marie Goegg, 1868
In einer Rede vor der Association begründete Marie Goegg diesen Artikel folgendermaßen:
«Die internationale Frauenassoziation will nicht die Gesellschaft in zwei Lager teilen; sie will nicht den Kampf zwischen Mann und Frau; sie will nicht die Elemente teilen, die geschaffen sind, sich zu verbinden; sie will nicht Rechte erobern auf Kosten der Männer. – Sie verlangt vor allem Gleichheit des Rechtes auf Ausbildung, weil sie überzeugt ist, daß die Frau geistig und seelisch dem Mann, mit dem sie das Leben durchschreitet, ebenbürtig ist; daß sie als Erzieherin der Kinder ebenso fähig sein muß wie er, diese große Aufgabe zu erfüllen. Sie fordert auch das Recht auf Arbeit, für die Frau und gleichen Lohn für gleiche Arbeit. . . . Die einzige Möglichkeit, welche die Frau hat, sich ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit zu schaffen und damit ihre Würde zu bewahren, ist die Arbeit.
Endlich kommen wir zu den politischen Rechten, die ebenfalls im Namen der Gerechtigkeit von unserer Assoziation gefordert werden, obwohl dieser Wunsch in gewissen Kreisen auf starke Opposition stößt. Und doch ist es allein dem einst so mühsam errungenen Stimmrecht zu verdanken, daß heute alle Stände unter dem gleichen Gesetz stehen. Dank dem allgemeinen Stimmrecht wurde ein Teil der Mißbräuche, welche die Gesellschaft erniedrigten, beseitigt. Dank dem allgemeinen Stimmrecht – ein illusorischer Name, solange die Frau nicht daran teilhat! – fanden die Verbesserungen und sozialen Fortschritte statt, welche wir heute genießen, welche aber – ich wiederhole – ungenügend sind. Die natürliche Konsequenz ist: Wir fordern das Stimmrecht, weil jeder wirkliche Fortschritt durch Ausübung dieses Rechts entstanden ist; weil es für uns Frauen Zeit ist, nicht mehr eine besondere Gesellschaftsklasse zu bilden; weil wir die Notwendigkeit einsehen, daß auch wir unsere Ideen vor die Behörden, vor die Kommissionen, kurz überallhin, wo Menschen diskutieren, bringen sollen. Wir möchten Bürgerinnen sein und die politischen Aufgaben teilen mit den Bürgern – unsern Brüdern!»
(Textauszug aus: Woodtli, Susanna (1975): Gleichberechtigung : der Kampf um die politischen Rechte der Frau in der Schweiz. – Frauenfeld : Huber, S. 31 – 32)