Leben von Gewicht – der feministische Kampf gegen Essstörungen

Den eigenen Körper zu akzeptieren, statt gegen ihn zu leben: Das erscheint nicht erst gegenwärtig vielen Menschen so gut wie unmöglich. Schon Ende der 1970er-Jahre kritisierte die Neue Frauenbewegung Schlankheitsterror und Schönheitswahn aus feministischer Perspektive, wie das aktuelle DDF-Projekt vom FrauenMediaTurm zeigt.

Zu einem als erfolgreich verstandenen Dasein zählt auch heute an prominenter Stelle ein fitter, schlanker, disziplinierter Körper. Das vorherrschende Gesellschaftsideal ist dabei sexistisch wie eh und je. Diese überpräsenten Stereotype schreiben sich aber auch in Selbstbilder ein: Dank des Internets und der Sozialen Medien können wir uns mit der ganzen Welt vergleichen und schneiden dabei häufig schlecht ab. Die Zahlen sprechen für sich: Jugendliche und Erwachsene leiden unter dem strengen Körper-Diktat. Vor allem Mädchen reagieren darauf verstärkt mit Essstörungen, wie unter anderem ein Artikel dazu im Deutschen Ärzteblatt belegt.

Bereits in den frühen 1980er-Jahren entwickelten Akteurinnen aus der westdeutschen Frauenbewegung feministische Strategien gegen Körpernormen, die sie als Kriegserklärung an weibliche Körper verstanden. Sie analysierten die Auswirkungen von sexistischen Schönheitsidealen, von patriarchalen Ansprüchen sowie sexualisierter Gewalt auf das Körpergefühl von Mädchen und Frauen und setzten – teils provokativ – Formen einer anderen Ästhetik gegen vorherrschende Erwartungen an gutes Aussehen. Gerade die autonome Frauenbewegung schaffte Räume, um über die wechselnden Ansprüche an den weiblichen Körper kritisch zu diskutieren, bis hin zu einer auch kämpferischen Auseinandersetzung mit dem Komplex Essstörungen. Außerdem entwickelte sie wichtige Konzepte für Beratung, Therapie und Selbsthilfe.

Der FrauenMediaTurm (FMT) erschließt und digitalisiert im Rahmen des DDF-Projektes vor allem frühe Materialien der feministischen Selbsthilfe und kritischen Auseinandersetzung, die diese Entwicklung abbilden. Dazu zählen Dokumente aus den ersten Beratungszentren in Frankfurt am Main, Berlin und Hamburg, Gespräche mit und Unterlagen von wichtigen Pionierinnen dieser Initiativen sowie den Forscherinnen und Autorinnen, die neue, feministische Perspektiven auf das Phänomen entwickelten und bekannt machten. Ergänzt werden diese Materialien durch feministische Broschüren und Zeitschriften zum Thema. Außerdem führt der FMT eine Tiefenerschließung der FMT-Pressedokumentation zu diesem Thema auf Artikelebene durch. Diese Pressesammlung enthält Artikel der bundesdeutschen Tages-, Wochen- und Monatspresse im Untersuchungszeitraum, die sich mit dem Themenkomplex Essstörungen befassen.

Der FMT besteht seit 1984, damals noch in Frankfurt am Main unter dem Namen „Das feministische Archiv und Dokumentationszentrum“, ab 1988 in Köln. Die Einrichtung sammelt und forscht zum radikalen Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung, zur autonomen Frauenbewegung und zu Pionierinnen verschiedener Epochen. Neben den archivarischen Sammlungen unterhält der FMT eine umfangreiche Spezialbibliothek.

Das DDF-Projekt ist am 1. Januar 2025 gestartet und hatte eine Laufzeit von 12 Monaten. Neben Digitalisaten zur öffentlichen Nutzung und zum Bestandserhalt und Interviews mit zentralen Akteurinnen zum Thema entstehen im Rahmen des Projektes sechs Essays zu Zeitzeuginnen und frühen Beratungseinrichtungen der feministischen Hilfe und Selbsthilfe im Kampf gegen Essstörungen sowie zur feministischen Auseinandersetzung mit Körpernormen. Außerdem fand am 25. November 2025 die Abschlussveranstaltung „Von Hunger und Heilung – feministische Beratungsstellen und der Kampf gegen Essstörungen“ statt. Dort haben unter anderem Expertinnen zum Thema diskutiert

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