Ulrike Rosenbach ist eine international erfolgreiche Pionierin der Videokunst und Performance. Sie verband früh Kunst und Feminismus, arbeitete in den USA mit feministischen Künstlerinnen zusammen, lehrte in Kalifornien ‚Feministische Kunst‘ und gründete in Köln die Schule für kreativen Feminismus.
- Meisterschülerin von Beuys
- Kunst und Feminismus: Anfänge
- Prägende Zeit in den USA
- Schule für kreativen Feminismus
- Künstlerinnen-Ausstellung
- Klage gegen den Stern
- Videoclips
- Interviewtranskript
- Fußnoten
Meisterschülerin von Beuys
Ulrike Rosenbach wurde 1943 in einer Kleinstadt bei Hildesheim geboren. Die Tochter eines Ingenieurs und einer Hausfrau wuchs bei den Großeltern auf und spielte in Garten und Wald „eigentlich wie ein Junge“[1]. Die Mutter „hat sich um eine mädchengerechte Erziehung überhaupt nicht gekümmert“, der Vater war als Kriegsrückkehrer „weitgehend abwesend“[2].
Noch vor dem Abitur bewarb sich Ulrike – gegen den Willen des Vaters – an der Kunstakademie Düsseldorf, wurde im Fach Freie Bildhauerei angenommen und begann 1964 ihr Studium, das sie mit Jobs in der Gastronomie sowie einer kleinen Unterstützung der Großmutter und einer Tante finanzierte. Sie wurde Meisterschülerin von Joseph Beuys, als eine von nur zwei Frauen.
Als sie schwanger wurde, heiratete sie den Vater des Kindes, war aber nach der wenige Jahre folgenden Trennung, allein für Tochter Julia zuständig.
Kunst und Feminismus: Anfänge
1969 kam Ulrike Rosenbach über eine Gastdozentin aus Los Angeles mit feministischen Künstlerinnen aus den USA und deren Arbeiten in Kontakt: „So dass ich mich dann eigentlich zum allerersten Mal mit den weiblichen Sachen beschäftigt hab, und dass auch sehr gerne.“[3] Ulrike Rosenbach schuf nun selbst erste Arbeiten, in denen sie sich künstlerisch mit der Frauenfrage befasste. „Und da hab ich dann (…) Objekte für den Körper hergestellt, die an den Kostümen mittelalterlicher Frauen angelehnt waren. Und dann hab ich dazu gelesen, dass die verheiratete Frau im Mittelalter ne Haube aufhaben musste. Und so hieß das dann ‚Hauben für eine verheiratete Frau‘. Und so kam ganz langsam dieses Bewusstsein von Unterschieden, die da waren. Und das fand ich dann auch ganz schön, mit diesen Objekten weiterzumachen, und dann hab ich auch Kontakt aufgenommen mit der Szene in New York.“[4]
Prägende Zeit in den USA
Ulrike Rosenbach wurde Teil eines feministischen Künstlerinnen-Netzwerks in den USA. Anfang der 1970er Jahre wendete sie sich verstärkt der Videokunst zu und gehörte bald zur internationalen Avantgarde in diesem neuen Genre. Von 1973 bis 1975 arbeitete sie als Kunstlehrerin, dann bekam sie einen Lehrauftrag für Feministische Kunst und Medienkunst am California Institute of the Arts in Los Angeles, an dem Judy Chicago „ein großes feministisches Segment aufgebaut (hatte) für Frauen, die ihre Ausbildung machen wollten mit weiblichen Themen“.[5]
1975 entstand eines von Rosenbachs bekanntesten Werken, die Video-Aktion Glauben Sie nicht, dass ich eine Amazone bin. Rosenbach schießt mit einem Bogen 15 Pfeile auf ein Madonna-Gemälde und überblendet das Gesicht der Madonna mit ihrem eigenen. „Meine Arbeit ist die Auseinandersetzung mit meiner eigenen Identität als Frau“, erklärt Rosenbach. „Zu dieser Thematik gehört die künstlerische Auseinandersetzung mit dem historischen Kulturbild der Frau. Der Frau als Mutter in der Familie, als Hausfrau, als Prostituierte des Mannes, als Heilige, als Jungfrau oder als Amazone.“[6]
Die Erfahrungen in den USA prägten Ulrike Rosenbach stark: „Vorher war ich vielleicht eher so Mitglied der linken Studentenbewegung. Und jetzt, nach USA, hatte ich mehr das Gefühl, ich will was für die Frauen und ihre politischen Lebensverhältnisse und auch für ihre Kunst tun. Denn was man natürlich bedenken muss ist, dass die Kunstszene auch zu der Zeit noch sehr autoritär auf männliche Künstler ausgelegt war. Es gab so gut wie keine weiblichen Künstlerinnen als Professorinnen – das ist in Amerika damals schon ganz anders gewesen.“[7]
Schule für kreativen Feminismus
Als Rosenbach 1976 zurück nach Deutschland kam, besser gesagt nach Köln, „hab ich sofort angefangen, eine Frauengruppe zu bilden, außer dem, was da in der Frauenbewegung um mich herum ablief. Die hab ich Schule für kreativen Feminismus genannt, und da hab ich dann mit Frauen, die ich im Frauenzentrum oder im Buchladen geworben hatte, eine Gruppe gebildet, die so arbeitete wie wir in Los Angeles gearbeitet haben: mit Selbsterfahrungstraining und dann vor allen Dingen zur Arbeit und Kunstgeschichte der Frauen.“[8]
Die Schule für kreativen Feminismus wäre notwendig, weil „uns Frauen durch die Geschichte unserer Unterdrückung das Gespenst schöpferischer Unfähigkeit begleitet“[9], erklärte Ulrike Rosenbach in EMMA, für die sie auch als Autorin oder Künstlerin arbeitete, zum Beispiel beim Gestalten von Covern. „Die von Männern geschriebene Kunstgeschichte hat nicht nur die Namen der wenigen Künstlerinnen, die es gab, gerne verschwiegen, sie hat auch eine Definition von Kunst hervorgebracht, die einem männlichen Schöpfungsbegriff folgt und Frauen ausschließlich eine reproduktive Stelle zuweist.“[10]
In ihrer Schule für kreativen Feminismus verband Rosenbach feministische Aktionen und deren künstlerische Umsetzung. Ein zentrales Thema war dabei die (Sexual)Gewalt gegen Frauen und die Pornografie. „Damals machte die Frauenbewegung in New York Protestmärsche (…) durch die Pornoläden und das haben wir in Köln quasi zum gleichen Zeitpunkt nachorganisiert oder mitorganisiert, so dass das parallel ablief. Dazu hab ich auch später noch Arbeiten gemacht. (…) Wenn man ein Thema aus der Frauenbewegung nimmt, dann ist es für mich Gewalt gegen Frauen.“[11]
Künstlerinnen-Ausstellung
1977 organisierten Künstlerinnen in West-Berlin, darunter Sarah Schumann, die Ausstellung Künstlerinnen International 1877-1977 im Charlottenburger Schloss. Es war die erste Ausstellung in Deutschland, die ausschließlich Werke weiblicher Künstler zeigte und dabei sowohl frühere, einst bekannte und inzwischen vergessene Künstlerinnen wie Paula Modersohn-Becker oder Hannah Höch ins Bewusstsein zurück holte, als auch zeitgenössische Künstlerinnen präsentierte, darunter auch Ulrike Rosenbach. Die Ausstellung war ein Meilenstein und wurde medial und im Kunstbetrieb breit wahrgenommen.
Im selben Jahr nahm Rosenbach an der documenta 6 in Kassel teil. Ihre Arbeit Herakles – Herkules – King Kong. Das Klischee „Mann“ zeigt eine mehrere Meter große Fotoreproduktion des griechischen Gottes, unter dessen Arm Rosenbach einen Monitor platziert hat. Auf diesem spricht sie selbst in einer Art Ein- und Ausatembewegung in Endlosschleife das Wort „Frau“.[12]
Klage gegen den Stern
Als EMMA im August 1978 den Stern wegen seiner sexistischen Titelbilder verklagte, war Ulrike Rosenbach neben Margarete Mitscherlich, Margarete von Trotta, Inge Meysel und anderen eine der Mitklägerinnen.[13]
Die Schule für kreativen Feminismus beendete im Jahr 1983 ihre Arbeit mit einer letzten Werkschau. „Wir haben zum Schluss eine schöne Ausstellung gemacht, Anfang der 80er Jahre. Die hieß: Frauenkultur – der uferlose Weg und ging durch die ganze Frauenszene in Köln. Die haben wir organisiert mit Lesungen und Veranstaltungen aller Art. Und das (…) war eine sehr schöne abschließende Veranstaltung.“[14]
1989 wird Ulrike Rosenbach, die schon vorher Gastprofessuren und Lehraufträge an verschiedenen Universitäten hatte, Professorin für neue Künstlerische Medien an der Hochschule der Bildenden Künste Saarbrücken. Bis heute beschäftigt sie sich in ihren Arbeiten mit der Geschlechterfrage.
Videoclips
Interviewtranskript
Fußnoten
[1] P16-Rose-01, Interview mit Ulrike Rosenbach, Transkript, S. 1.
[2] Ebenda.
[3] Ebenda, S. 2.
[4] Ebenda, S. 2.
[5] Ebenda.
[6] Rosenbach, Ulrike, Glauben Sie nicht, daß ich eine Amazone bin, 1975, URL: http://www.medienkunstnetz.de/werke/glauben-sie-nicht/ Zuletzt besucht am: 27.08.2020.
[7] P16-Rose-01, Rosenbach, S. 5.
[8] Ebenda, S. 7.
[9] Rosenbach, Ulrike: Kreativer Feminismus. In: EMMA, 1980, Nr. 12, S. 56‒57, hier S. 56, URL: https://www.emma.de/lesesaal/45179#pages/pageId-0045412a7e12642f2c848c09f361bd7485b1a27 Zuletzt besucht am: 8.11.2020.
[10]. Ebenda.
[11] P16-Rose-01, Rosenbach, S. 8.
[12] Rosenbach, Ulrike: Herakles – Herkules – King Kong. Das Klischee „Mann“, 1977, URL: http://www.medienkunstnetz.de/werke/herakles/bilder/1/ und https://www.documenta.de/de/retrospective/documenta_6# Zuletzt besucht am: 27.08.2020.
[13] O. A. [Emma-Redaktion], Kampf um Menschenwürde. Die Klage gegen den Stern. In: EMMA, 1978, H. 8, S. 6‒15, hier S. 11, URL: https://www.emma.de/lesesaal/45151#pages/8/ Zuletzt besucht am: 27.08.2020.
[14] P16-Rose-01, Rosenbach, S. 16.
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