Alice Schwarzer: Hausfrauenlohn?

Alice Schwarzer, 1977

Sie sind Hausfrau. Täglich machen Sie den Dreck ihrer Lieben weg. Umsonst. Nun kriegen Sie plötzlich Geld dafür. 300, vielleicht sogar 400 Mark im Monat, genannt „Hausfrauengehalt“, „Erziehungsgeld“ oder wie auch immer. Geldgeber ist der Staat. Klar, daß Sie sich darüber freuen würden.

Dieses Präsent könnte Wirklichkeit werden. Denn SPD wie CDU sind „tief beunruhigt über Baby-Baisse“ und „Hausfrauen-Müdigkeit“. Der aufmuckenden deutschen Frau müssen die drei Ks – Kinder, Küche, Konsum – wieder schmackhaft gemacht werden. Die CDU macht sich berechtigte Sorgen um die heilige Familie, und der SPD gehen die gebärunfreudigen Frauen gar so an die Nieren, daß sie jüngst eigens ein „Brainstorming“ veranstaltete – vermutlich exclusiv männlich, wie bei solchen Gelegenheiten üblich. All das hat wenig mit Frauenfreundlichkeit zu tun. Im Gegenteil. Dahinter steht die Absicht, Frauen, die ja ein berechtigtes Mißbehagen haben, bei der Stange zu halten.

Doch für Hausfrauenlohn plädieren nicht nur frauenfeindliche Politiker, sondern auch Frauen, die von sich sagen, sie seien Feministinnen. Sie fordern zwar nicht 300 sondern 2000 Mark. Und sie argumentieren auch anders als die Politiker. Dennoch scheint mir ihre Kampagne mindestens genauso gefährlich, denn sie führt uns in diesselbe Sackgasse — nur mit noch größeren Illusionen.

Die „Lohn-für-Hausarbeit-Gruppen“ entstanden zunächst in England, Italien und Amerika und wurden eher von Frauen aus der männerbeherrschten Linken angezettelt, als von Feministinnen. Ausgelöst wurde die Kampagne von der sehr richtigen Überlegung, daß auch die zur Erziehung der Kinder und Erhaltung der Arbeitskraft im Haus geleistete Arbeit etwas wert sei. Richtig. Doch ist die Frage des Geldes nicht die einzige Frage und löst eine so platt-ökonomistische Analyse noch nicht das Problem.

Inzwischen gibt es auch in der Bundesrepublik solche Gruppen. Sie fordern für den 1. Mai zu Protest-Demonstrationen für Hausarbeitslohn auf. Vorweg veröffentlichten sie ein Manifest „An alle Regierungen“, in dem es unter anderem heißt: „Wir geben hiermit bekannt, daß wir gedenken, für unsere Arbeit bezahlt zu werden. Wir wollen Lohn für jede schmutzige Toilette, für jede schmerzhafte Geburt, für jede freche Anmacherei und Vergewaltigung, für jede Tasse Kaffee und jedes Lächeln. Und wenn wir nicht bekommen, was wir wollen, dann werden wir einfach aufhören, zu arbeiten!“ Und für Geld lassen wir uns weiter „anmachen“ und vergewaltigen? Gebären wir weiter in Schmerzen? Kochen wir weiter für die Herren der Schöpfung zuhause und im Büro den Kaffee? – Was für ein Zynismus! Statt gegen das Hausfrauen-Ghetto, gegen die schmerzhafte Geburt und gegen die Vergewaltigung zu kämpfen, statt das zu ändern, sollen wir es dabei belassen und uns nun verkaufen?!

„Geld heißt Unabhängigkeit“ tönt das Manifest. Wie einfach. Leider ist es in der Realität nicht so. Eigenes Geld ist zwar eine Grundvoraussetzung zu jedem Versuch der Emanzipation, aber noch lange nicht damit gleichzusetzen. Sonst wären zum Beispiel Prostituierte -die sich im Gegensatz zu sich wider Willen aber gratis zur Verfügung stellenden Ehefrauen in bar entlohnen lassen — emanzipierte Frauen. Was nicht der Fall ist. Erstens, weil zu den materiellen Möglichkeiten größerer Unabhängigkeit auch das richtige Bewußtsein gehört, diese Möglichkeiten zu nutzen. Zweitens, weil Prostituierte wie Hausfrauen weiterhin Opfer demütigender Arbeitsbedingungen sind. Das ist entscheidend. Hausfrau bleibt Hausfrau. Ein Taschengeld wäre nur dünne Vergoldung dieses Frauenschicksals in einer Männergesellschaft, in der Hausfrausein nicht frei gewählt, sondern erzwungen ist und ausschließlich Frauen vorbehalten bleibt. (Was nicht einzusehen ist, denn Männerhände könnten genauso gut Kartoffeln schälen und Kinderpopos pudern – das machen wir schließlich nicht mit der Gebärmutter . . .)

Hausfrauenlohn würde Frauen nicht befreien, sondern sie zusätzlich versklaven! Würde sie noch mehr an Kinder und Küche ketten! Ich höre schon förmlich den Ehemann, Arbeiter oder Unternehmer, wie er nach Hause kommt: „Sauwirtschaft hier! Immer noch kein Essen auf dem Tisch. Schließlich wirst Du ja dafür bezahlt.“

Sowenig wie Ziel des Klassenkampfes nicht nur die bessere Entlohnung der Fließbandarbeiter(innen) sein kann, sondern die Abschaffung der Arbeitsteilung sein muß, so sehr muß Frauenkampf sich letztlich für die Abschaffung des Hausfrauendaseins einsetzen und nicht für seine Verbesserung. Was natürlich nicht heißt, daß wir nicht hier und heute trotzdem nach Erleichterungen für Hausfrauen und Mütter suchen müssen . . .

Die Würde des Menschen hat viel mit Geld zu tun, aber nicht nur. Als in Frankreich die Verkäuferinnen von Thionville wild streikten, taten sie das aus Wut über ihre Erniedrigung. Wut, über den Zwang zum Lächeln für die Kunden. Wut über das Tätscheln der Abteilungsleiter. Wut darüber, den ganzen Tag stehen zu müssen, obwohl sie im Sitzen ihre Arbeit genauso verrichten könnten. Und wie so oft wurde auch dieser Streik von den Gewerkschafts-Funktionären kanalisiert, wurde ihm sein eigentlicher Grund genommen, indem man ihn zu einem gemäßigten Ruf nach nur mehr Lohn umfunktionierte. Und was erniedrigt Hausfrauen? Die Selbstverständlichkeit zum Beispiel, mit der Kinder und Ehemänner sitzenbleiben und sich bedienen lassen. Die Unsichtbarkeit ihrer Arbeit, bei der sie allein immer wieder dieselben Teller zu spülen haben.

Simone de Beauvoir, die eine strikte Gegnerin des Hausfrauenlohns ist, argumentiert: „Es gibt keine Tätigkeit, die an sich erniedrigend ist. Alle Tätigkeiten sind gleichwertig. Fenster putzen, warum nicht? Das ist genauso viel wert, wie Schreibmaschine schreiben. Erniedrigend sind die Bedingungen, unter denen man das Fensterputzen verrichtet: in der Einsamkeit, der Langeweile, der Unproduktivität, der Nicht-Integration ins Kollektiv.“ Und die Anerkennung der Hausarbeit ist von der Laune des jeweiligen Ehemannes abhängig: Ist er gut gelaunt, schmeckt es ihm, ist er schlecht gelaunt, kann sie noch so gut gekocht haben . . .

Was nun wäre zur wirklichen Veränderung anzustreben? Dies scheinen mir die wesentlichen Punkte:

  1. Die Verweigerung der selbstverständlichen Zuständigkeit von Frauen für Haus und Kinder und damit auch der Doppelbelastung.
  2. Die Übernahme der Hälfte aller Haus- und Erziehungsarbeit durch die Männer.
  3. Die weitgehende Übernahme von Haus- und Erziehungsarbeiten durch gesellschaftliche Einrichtungen: Krippen, Ganztagsschulen, Großküchen etc.
  4. Die Veränderung der Natur der Hausarbeit. Sie muß raus aus Isolation und Willkür. Zaghafte Ansätze gibt es bereits. (Zum Beispiel in einigen „Clubs junger Hausfrauen“, wo die Hausfrauen statt wie bisher allein ihren Großputz jetzt gemeinsam, reihum in der Gruppe machen — und sich dabei schon ein wenig besser fühlen als zuvor.)

Wenn Frauen sich schon das Herz fassen zu kämpfen, wenn sie schon auf die Straße gehen, dann sollten sie es, meine ich, nicht für halbherzige und irreführende Forderungen tun, die zum Bumerang werden können.

(Quelle: EMMA 5/1977, S.3.)

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