Sybille Plogstedt / Alice Schwarzer: Frauen ins Militär? – Feministinnen kontrovers

Plogstedt / Schwarzer, 1979

Am 6. Dezember demonstrieren in Hamburg, Bonn und München Frauen mit der Parole „Frauen in die Bundeswehr – wir sagen nein!“

Worum geht es dabei? Gibt es auf der einen Seite Frauen, die für Frauen in der Bundeswehr sind und ergo auch für Krieg – und auf der anderen Seite Frauen, die gegen Frauen in der Bundeswehr sind und ergo für Frieden? Oder ist die Problematik komplexer, und stecken in dem Schlagwort „Frauen für Frieden“ auch Aspekte, die eher Befriedung meinen, und zwar die zwischen den Geschlechtern?

EMMA hat die Diskussion zu dem Thema in der BRD vor zwei Jahren mit einem Text von Alice Schwarzer eröffnet. Seither läuft es kontrovers bis vernagelt; doch leider wurden weniger Inhalte geklärt, und eher Personen, die sie vertraten, verteufelt.

Wir machen darum einen Anfang mit der Haltung, die wir bereits im letzten Heft ankündigten – inhaltliche Kontroversen benennen: Wir baten Sybille Plogstedt von „Courage“- die sich bisher vehement für die Parole „Frauen und Frieden“ einsetzte – in EMMA ihren Standpunkt klarzumachen. Und Alice resümmiert nach zwei Jahren heftiger Diskussionen und Angriffe den ihren.

Wir hoffen, daß diese Diskussion zur Klärung beiträgt und zum Abbau überflüssiger Barrieren. Denn wir meinen: frau kann ruhig unterschiedlicher Meinung sein, sie sollte dies nur fair benennen und austragen.

Wir hoffen, daß auch ihr, die Leserinnen, Lust habt, euch zu dieser Kontroverse zu äußern. Und wir können euch jetzt schon sagen: das ist erst der Anfang – EMMA wird die Pro- und Kontra-Diskussion verstärkt fortsetzen. Über Themenvorschläge würden wir uns freuen!

Sybille Plogstedt:

Der Ausschluß von Frauen aus dem Militär wurde von Männern stets mit diskriminierenden Argumenten betrieben. Entweder hieß es, wir Frauen seien körperlich nicht zu militärischen Leistungen in der Lage. Das war die negative, biologische Diskriminierung. Oder es hieß, Frauen seien aufgrund ihrer 1000jährigen waffenlosen Erziehung zu friedfertig. Das war die positive Diskriminierung mit ihrer sozialhistorischen Argumentation.

Während der nun fast zwei Jahre andauernden Debatte über Frauen und Militär, versucht Alice Schwarzer durch einfache Umkehrung beide Argumente zugleich zu entkräften.

Sie sagt nämlich, Frauen müßten grundsätzlich die Möglichkeit haben, beim Militär zu dienen – womit Frauen bewiesen hätten, daß sie biologisch dazu in der Lage sind. Sie, Alice Schwarzer, würde aber persönlich den Wehrdienst verweigern, weil sie gegen Krieg ist – womit bewiesen wäre, daß frau nicht zwangsläufig friedlich ist, sich aber dazu entscheiden kann.

Wenn man von den Widersprüchen absieht, in die man bei dieser Argumentation persönlich kommt, kann man theoretisch so argumentieren. Praktisch sind wir der Emanzipation damit aber um keinen Schritt näher gekommen.

Die Schlußfolgerung, daß das Gegenteil dessen, was jetzt ist, Emanzipation bedeute, kann mechanisch von jedem gezogen werden. Wird sie auch – von Verteidigungsminister Apel zum Beispiel. Der versucht – wie einst der Rattenfänger zu Hameln – mit „emanzipativen“ Berufsversprechen Frauen in Männerberufe – sprich: hinter die Kasernenmauern zu locken: „Ich bin dafür, den Frauen in der Bundeswehr Berufschancen zu eröffnen. Warum sollen sie eigentlich nicht Transportfliegerinnen werden können. Ich weiß, daß da viele Männer Schreikrämpfe kriegen. Aber das stört mich nicht. Auch im Fernmeldewesen oder bei der Flugsicherung können Frauen beschäftigt werden.“

Bis 1988 sollen die fehlenden Männerrekruten, die dem Heer durch die Pillenemanzipation vorenthalten wurden, durch Frauen ersetzt werden. Nach dem Motto: Wer nicht gebiert, muß selber strammstehen.

Was hieße es, wenn sich tatsächlich Frauen freiwillig zur Bundeswehr meldeten? Es gibt heute etwa 47 000 Frauen, die bei der Bundeswehr angestellt sind. Sie arbeiten in den Bereichen, in denen nach den Erfahrungen anderer Länder auch Soldatinnen eingesetzt werden: in der Verwaltung, beim Putzdienst, in der Küche, im Krankendienst, im Fernmeldewesen und in der Datenverarbeitung.

Wenn sich heute 5000 oder 10 000 Frauen fänden, die in der Bundeswehr dienen wollten, würden die aufgrund ihrer Vertrauensstellung übertariflich bezahlten Frauen entlassen, und die neugebackenen Soldatinnen würden für dieselben Arbeiten einen untertariflichen Sold bekommen. Das Verteidigungsministerium könnte mit der „Emanzipation“ Geld sparen.

Es gibt ja inzwischen immer mehr Frauen, die rund um die Bundesrepublik strammstehen müssen. In Belgien sind es 2900, in Holland 260, in Frankreich sind es sogar 13 800. Dort soll auch die erste weibliche Fallschirmjägereinheit gegründet werden, damit auch der letzte Mann aus der Elitetruppe den Absprung nicht mehr verweigern kann.

In Norwegen tragen Frauen Uniform, in der Schweiz wird es gerade diskutiert. In Jugoslawien ist es seit Juni dieses Jahres wieder einmal so weit – Partisaninnen gab es zuletzt während des Krieges. In der DDR ist seit 1962 bittere deutsche Realität. Frauen dort „dürfen“, was uns – dem Grundgesetz sei Dank – verwehrt: das Vaterland verteidigen.

Immer mehr Frauen müssen strammstehen

Es gibt Frauen, denen erscheint der Dienst mit der Waffe als ein Machtzuwachs. Sie denken, als Soldatin seien sie vor Belästigungen vor Männern sicher. Aus dem Grund werden ja auch manche Frauen Kriminalbeamtinnen.

Die Erfahrungen der amerikanischen Armee sprechen aber sehr eindeutig gegen solche Hoffnungen. Körperliche Nötigungen gehören in den Kasernen zur Tagesordnung. Es heißt, am harmlosesten seien noch die Belästigungen. In Kitzingen, wo eine amerikanische Einheit stationiert ist, sind 13 weibliche GI’s vergewaltigt worden. 43 waren es zu Beginn des Jahres 1980 in allen amerikanischen Kasernen in der Bundesrepublik nach offiziellen Angaben.

Nach inoffiziellen Berechnungen ist jede Soldatin mindestens einmal vergewaltigt worden. Dachten hier noch einige amerikanische Soldatinnen, es liege am Ausland, zu Hause seien ,die boys‘ doch anders, so gibt es in den Kasernen der USA einen ähnlichen Trend. Über 60 Vergewaltigungen kommen jährlich in Fort Dix im US-Bundesstaat in New Jersey vor. Fort Dix wirbt seine Soldatinnen als „Arbeitgeber der Chancengleichheit“.

Ein amerikanischer Ausbilder hat ziemlich genau benannt, was es heißt, wenn Frauen in Uniform herumlaufen: Die Uniform erleichtere es, die Frauen wie die Männer zusammenzuschreien. Die Uniform bedeutet ein Mehr an Gewalt also. Und Männer hatten nie Schwierigkeiten, ihre Frauen zusammenzuschreien. Das wissen wir. Kann die ,militärische Emanzipation‘ der Frauen dann bedeuten, daß Männer künftig alle Frauen zusammenschreien können? So wie Männer unter ,sexueller Emanzipation‘ einst verstanden, daß sie mit jeder Frau bumsen konnten und das auch taten?

Gegen den erhofften Machtzuwachs für Frauen spricht auch ein Urteil des Militärgerichts in Long Beach (Kalifornien). Im September wurden dort 8 Frauen ,fristlos und unehrenhaft‘ aus der Armee entlassen, weil sie lesbisch waren.

Die Frauenbewegung in den USA verteidigte die Frauen mit der Forderung nach mehr Liberalität in der Armee und daß ein zu großer Skandal um das Privatleben der Soldatinnen entfacht worden sei. Mit dem letzten Argument hatten sie Erfolg beim Verteidigungsministerium: künftig sollen die Entlassungen „lautloser“ vor sich gehen. „Lautlos“ sind inzwischen mehr als 100 Lesben entlassen worden.

Die Armee fügt der Zahl der Diskriminierungen im Beruf lediglich neue hinzu: In Norwegen bekommen die Frauen ein Strumpfgeld von 15 Mark extra, Spindordnungen beschreiben das Stapeln von BH’s in Körbchen. Frauen müssen sie tragen, so wie sie sich auch wieder schminken müssen.

Und vom See Genezareth bis zum Ontario-See werden die Frauen gelobt, daß sie ihre Pflichten ,genauso gut wie Männer‘ erfüllen. Daß sie zuverlässiger seien, weil sie weniger Drogen nehmen, weniger rauchen und saufen. Sogar die ,natürlichen Ausfallzeiten‘ seien ausgeglichen: Frauen fehlten trotz Schwangerschaften nur halb so viel wie Männer.

Als Erste der Welt den Garaus machen?

Das und vieles mehr läßt sich vorbringen, wenn man sich auf das „Frau-ins-Militär“-Denken einläßt. Wir können immer neue Abgründe entdecken: danach streben, Maschinengewehre bedienen zu dürfen, einen Platz auf dem Leopard zu bekommen, auch Raketen abschießen zu dürfen, schließlich die ersten zu sein, die die Cruise missiles auf den Weg bringen.

Wir werden die ersten sein, die sich darum reißen, der Welt den Garaus zu machen. Was für eine Emanzipation! Wir leben nicht mehr in einer Zeit, in der wir die Chance hätten, den Krieg zu überleben, den Atomkrieg, der nach amerikanischen Militärexperten vor 1990 ausbrechen wird. In dem die vielleicht von Frauen abgeschossenen Raketen 7 Minuten brauchen, um ganz Europa zu zerstören.

Helen Caldicott hat versucht zu beschreiben, was eigentlich passiert, wenn wir einem Atomangriff ausgesetzt sind:

„Was passiert, wenn eine 20-Megatonnen-Bombe auf Berlin z. B. fällt? Es entsteht ein Krater, der einen Durchmesser von 700 m hat und der 100 m tief ist. In einem Umkreis von etwa 10 km löst sich jeder Mensch, jedes Gebäude in Gas auf. 30 km vom Zentrum des Aufpralls entfernt ist jede Person entweder sofort tot, oder die Haut löst sich vom Körper ab.

In 50-60 km Entfernung erblindet man, wenn man die Explosion auch nur sieht. Und wenn man in einem Atombunker Platz gefunden hat, erstickt man innerhalb einer Zone von 4000-5000 qkm, weil das Feuer, das sich bei der atomaren Explosion entwickelt, den gesamten Sauerstoff aufbraucht, so daß zum Atmen nichts mehr übrigbleibt. Das war auch in Dresden so, nachdem es bombardiert wurde. Auch dort sind die Leute in den Bunkern erstickt.

Wenn man nun in einem ländlichen Gebiet lebt, das nicht direkt Angriffsziel ist, dann hat man hier in Europa 7 Minuten Zeit, um in einen Bunker zu gelangen. Das heißt, man muß jetzt immer am Radio hängen, um zu wissen, wann man zum Bunker losgehen muß.

Nach der Explosion muß man zwei Wochen im Schutzbunker bleiben, weil während dieser Zeit der radioaktive fall out so stark ist, daß man auf keinen Fall rausgehen darf. Freunde und Verwandte hat man nicht mehr, weil man sie in den 7 Minuten nicht finden konnte. Wenn man in den 14 Tagen nicht verrückt geworden ist, kommt man raus aus den Bunkern, und überall liegen verwesende Leichen herum.

Es breiten sich Epidemien aus. Epidemien und Krankheiten, die eigentlich schon überwunden waren: Pest, Cholera, Typhus. Es wird nichts zu essen geben, und das Wasser wird radioaktiv verseucht sein. Ein Großteil der Ozonschicht, die einen Filter gegen die radioaktiven Strahlen der Sonne darstellt, wird zerstört sein, so daß man nicht länger als drei Minuten draußen bleiben kann. Sonst bekommt man Verbrennungen dritten Grades, und die sind auch tödlich.

Aber höchstwahrscheinlich ist der fall out so stark, daß man an Strahlenkrankheit, an Leukämie, sterben wird. Es wird geschätzt, daß innerhalb von 30 Tagen 90 Prozent der amerikanischen Bevölkerung tot sein werden. Ähnliches gilt für Europa. Ärztinnen oder Ärzte wird es kaum noch geben. Krankenhäuser gehören zu den Angriffszielen.“  (Courage, Sonderheft 3, Alltag im Krieg)

Es reicht. Es muß endlich Schluß sein mit dem Soldat/in-sein, Schluß mit den Kriegen. Statt daß wir uns den Kopf darüber zerbrechen, was daran fortschrittlich sei, den Beruf einer Soldatin auszuüben, sollten wir alles tun, damit Frauen bei den Abrüstungsverhandlungen vertreten sind. Denn dort brauchen wir Macht und Einfluß. Dort müssen wir den nächsten Krieg verhindern. Sonst werden wir nicht überleben.

Alice Schwarzer:

Selten habe ich schon im vorhinein für einen Artikel so viele besorgte Ratschläge von wohlmeinenden Kolleginnen und Freundinnen bekommen, wie für diesen: Du mußt unbedingt noch mal sagen, daß . . . Und mach unmißverständlich klar, daß . . . Und wiederhole ruhig fünfmal, daß . . . Selten auch, genauer: nie, bin ich wegen einer inhaltlichen Position soviel aus eigenen, aus frauenbewegten Reihen kritisiert bis angegriffen worden.

So unterstellte mir zum Beispiel „Courage“ bisher einfach immer wieder ein glattes Ja zu „Frauen in die Bundeswehr“ und attestierte „eine falsch verstandene Emanzipation“.

Die „Kölner Frauenzeitung“ pflaumte mich in einem offenen Brief an: „Wir wollen nicht mehr nur Kanonenfutter produzieren, wir wollen endlich selber welches sein.“ Und die ökologiebewegte „Graswurzel Revolution“ rügte: „Solche Probleme verlangen eine politische Position, die in dem Artikel von Alice Schwarzer durchaus fehlt.“

Was ist los? Bin ich so hoffnungslos auf den falschen Weg geraten? Liegen alle anderen schief? Oder ist dies – um’s gleich forsch in militärischen Bildern zu sagen – ein besonders vermintes Terrain, durch dessen Fallen wir alle uns erst einmal mit Bedachtheit und Zielstrebigkeit durchfinden müssen?

Ich neige zur letzteren Auffassung und meine, daß eine allgemeinpolitisch und gleichzeitig (!) feministisch richtige Antwort auf diese knifflige Frage ganz und gar nicht griffig parat liegt, sondern erst noch erarbeitet werden muß.

Worum geht es eigentlich? Um die Frage „Krieg oder Frieden“? Leider nein. Kriege finden, das wissen wir nun seit ein paar Jahrtausenden, so oder so statt, unabhängig davon, ob auch Frauen Zugang zu Waffen haben oder nicht. Denn diese Kriege werden entschieden in Machtsphären, in denen Frauen heute so abwesend sind wie gestern.

Geht es dann um die Frage, ob wir Frauen selbst überhaupt bereit sind, in diesen mörderischen Geschäften unsere Haut zu lassen? Ebenfalls leider nein. Denn zum Opfersein sind wir allemal gut genug – auch ohne das Recht auf Täterschaft. Gestorben wird in der Etappe genauso viel wie an der Front (im 2. Weltkrieg gab es 27 843 000 tote Soldaten und 27 157 000 tote Zivilisten!).

Außerdem: in Anbetracht der rasanten technischen Entwicklung wären wir bei zukünftigen kriegerischen Auseinandersetzungen in Mitteleuropa alle dran; egal, ob wir mitgemacht haben oder nicht…

Geht es dann darum, daß Frauen durch ein Sich-raus-Halten Einfluß ausüben, Kriege verhindern könnten? Leider, leider auch nicht. Sonst wäre ich sofort dabei! Doch die Geschichte lehrt uns, daß Bewußtsein eine Sache, Macht aber – und erst recht Waffenmacht! – eine andere ist. Nehmen Bewußtseinsentwicklungen für Machthaber gar zu unbequeme Formen an, sind diese erfahrungsgemäß oft gar nicht zimperlich und treten Diskutierenden schlicht mit Gewalt entgegen.

„Die Macht liegt im Lauf des Gewehres“ – das haben Unterdrücker wie Unterdrückte letztlich immer erkannt und oft genug entsprechend gehandelt. Die Frage der Gewalt und der Waffengewalt ist also nicht pauschal zu behandeln. Es gibt Unterdrücker-Gewalt und es gibt Gegengewalt Unterdrückter.

Darum ist Pazifismus um jeden Preis unpolitisch, und auch so bequem für diejenigen, die im Traum nicht daran denken, ihn zu praktizieren. (Nun ist die Bundeswehr allerdings keine revolutionäre Volksarmee, sondern Teil der Nato und damit Teil des massiven Einschüchterungsapparates, mit dem sich die großen Machtblöcke gegenüberstehen…).

Im Namen der „Natur der Frau“!

Übrigens: eigentlich ist die Sache schon längst entschieden: Frauen arbeiten in der Bundeswehr! Jeder zehnte bei der Behörde Bundeswehr beschäftigte Mensch ist schon heute weiblich.

In vielen Ländern in West wie Ost als auch der dritten Welt sind Frauen ein zunehmend selbstverständlicher (und benötigter!) Bestandteil von Armeen. Allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt. Nämlich bis zu dem Punkt, wo es um den direkten Zugang zu den Waffen geht. Dann fängt es an, heikel zu werden. Kein Kombattantenstatus für Frauen: Bewaffnete Frauen sind tabu. So tabu, daß jede, die wagt, darüber nachzudenken, vehement verteufelt wird. Ich weiß, wovon ich rede…

Nur – ich habe keine Lust, mir das Denken verbieten zu lassen! Auch und gerade nicht in dieser Frage! Denn eben dieser Grad der Tabuisierung signalisiert die Brisanz des Problems. Mißtrauisch, sehr mißtrauisch macht mich das, wenn von der „Natur der Frau“ die Rede ist und der „natürlichen weiblichen Friedfertigkeit“. (Mit diesen Argumenten verbietet nämlich das bundesdeutsche Grundgesetz Frauen den Zugang zum Dienst mit der Waffe.) Friedfertig sei das Weib.

Völlig überflüssig, Schwestern, unter diesen Umständen laut zu protestieren gegen einen weiblichen Wehrdienst. Ihr heult mit den Wölfen. Niemand will uns Frauen an die Waffe lassen, geschweige denn holen. Auch nicht die, die angesichts der herannahenden geburtenschwachen Jahrgänge mit dem weiblichen Geschlecht als Nachschubtruppe liebäugeln. Auch die denken nur an eine Teilintegration von Frauen in die Armeen und sind strikt gegen Frauen an Waffen und in Machtpositionen. Bei dem Gedanken graut’s nämlich den Herren der Schöpfung. Flintenweiber.

Und genau das ist der Punkt, den ich spannend finde! Hier geht es um mehr, um soviel mehr als nur die Auffüllung einiger leer werdender Posten bei der Bundeswehr. Hier geht es um die Frage des Verhältnisses von Frauen zur Gewalt! Das und nichts anderes steht in Wahrheit dahinter, und macht die Diskussion so brisant und – so wichtig für Feministinnen.

Denn auch auf die Gefahr hin, niedergeschrien zu werden, muß ich sagen: ich glaube nicht an die angeborene Friedfertigkeit von Frauen! Ich glaube nicht daran, daß Frauen „von Natur aus besser“ sind als Männer! Ich glaube nicht, daß es in einer Gesellschaft, in der Frauen die (oder mehr) Macht hätten, automatisch auch friedfertiger zugehen würde! (Und die Geschichte bestätigt das: es hat durchaus auch blutige Frauenstaaten und friedliche Männerstaaten gegeben, sieh dazu „Frauenstaat – Männerstaat“ von Mathilde Vaerting).

Aber ich glaube, daß es ein durchgängiges Merkmal aller Unterdrückten ist, daß sie sich haben einreden lassen, von Natur aus „friedfertig“ zu sein. Eine Eigenschaft, die an sich sehr positiv und erstrebenswert ist, für die Friedfertigen selbst aber nur dann günstig, wenn auch die Verhältnisse friedfertig sind. Sklaven waren „friedfertig“. Zu lange. Frauen sind „friedfertig“. Zu lange.

Darum ist es so wichtig, daß wir unabhängig davon, wie wir zur Bundeswehr stehen, nicht hinnehmen, im Namen dieser „Friedfertigkeit“ aus einem gesellschaftlich so relevanten Bereich ausgeschlossen zu werden! Ob wir da mitmachen oder nicht, ist von uns selbst zu entscheiden. Das Verdikt jedoch, das Wehrdienst für Männer zu einer „ehrenwerten Bürgerspflicht“ erklärt, das „Vaterland zu verteidigen“, und für Frauen für unnatürlich, ist eine Bevormundung.

Besonders zynisch ist dabei, daß wir im Ernstfall sowieso herhalten müssen. In der Etappe wie an der Front. Das war im algerischen Befreiungskampf nicht anders als es heute im palästinensischen ist. Und das war in der Endphase des Dritten Reiches so, wie es morgen in der Bundesrepublik sein könnte. Denn das Grundgesetz verbietet uns zwar ausdrücklich den Dienst an der Waffe (Frauen „dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten“), läßt sich aber gleichzeitig via Notstandsgesetze eine Hintertür offen („Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an zivilen Dienstleistungen … in ortsfesten militärischen Lazarettorganisationen nicht auf freiwilliger Grundlage gedeckt werden, so können Frauen . . . durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu derartigen Dienstleistungen herangezogen werden.“).

Im „Ernstfall“ dürfen wir den Heldentod sterben

Im Ernstfall also dürfen auch wir Frauen den Heldentod sterben. Nur in Friedenszeit gilt die Parole: friedlich sei das Weib. Frauen an Heim und Herd, Männer an die Macht. Darum geht es. Und darum dürfen wir gebetsmühlenartige Formeln wie „Frauen Nein zur Bundeswehr“ nicht so unhinterfragt hinnehmen. Klar doch: Auch ich bin gegen die Bundeswehr (und hätte mir nach dem Dritten Reich eher eine neutrale, militärfreie BRD gewünscht). Auch ich bin und war immer für Abrüstung. Und, ich gestehe, auch ich bin auch gegen Militär und militärischen Geist – um Kasernen mache ich einen Bogen, Befehls- und Ordenstralala finde ich lächerlich bis empörend – und ich hab was gegen Gleichschritt.

Ich glaube auch überhaupt nicht, daß ein Zugang für Frauen zur Bundeswehr uns emanzipierter machen würde. Auch halte ich den Kalkül von „gleiche Rechte = gleiche Pflichten“ für eine Milchmädchenrechnung in einer Gesellschaft wie der unseren, in der Frauen immer noch bedeutend mehr Pflichten als Männer haben.

Nur -das allein ist es nicht. Denn hinter dem Ausschluß von Frauen vom Waffendienst steckt kein Pazifismus, sondern Sexismus! Und es gibt Formen des Pazifismus, die nicht menschliche Güte, sondern – politische Dummheit sind. In dieser Unrechtswelt kann Pazifismus wie Feminismus nur militant sein – was nicht unbedingt, und hier und heute schon gar nicht!, bewaffnet meint, aber doch angemessen kämpferisch.

Für mich bedeutet das: bei der Frage nach der zukünftigen Rolle von Frauen in Armeen müssen wir eine Synthese finden zwischen militantem Pazifismus und militantem Feminismus. Dazu möchte ich beitragen. Ohne Denkverbote und ohne Einschüchterungsversuche aus den eigenen Reihen (die der anderen Seite genügen mir satt).

Eine Antwort möchte ich finden auf die Frage: Warum sind Männer in dem Punkt auf einmal die schlechteren Menschen und gerade gut genug für das dreckige Handwerk des Tötens? Und warum will man dieses ausgerechnet uns Frauen so galant ersparen, wo wir doch sonst gut genug sind für jede Drecksarbeit in dieser Gesellschaft?

Die Parole „Frauen zur Bundeswehr: nein danke!“ ist gefährlich kurzsichtig. Wenn schon, dann kann es nur heißen: „Frauen und Männer zur Bundeswehr – nein danke!“ Ich persönlich wäre, das habe ich oft genug gesagt, als Mann Kriegsdienstverweigerer. Und ich bin unter den gegebenen Umständen in der Bundesrepublik überhaupt gegen jede Wehrpflicht. Für Männer wie, versteht sich, für Frauen.

Aber ich möchte das selbst entscheiden können! Und ich möchte auch in dem Punkt andere Frauen nicht bevormunden. Selbst wenn Kasernen für mich zu den Orten gehören, die ich lieber heute als morgen umgewandelt sähe in Kinderspielplätze oder Tanzsäle. (Aber so geht es mir ja nicht nur mit Kasernen, so geht’s mir zum Beispiel auch mit den Chefetagen des wirtschaftlichen und politischen Managements, mit Fließbandsälen oder Eroszentern und all den anderen Schauplätzen erniedrigender und/oder entfremdeter Arbeit. Aber: ich möchte auch da Frauen den Zugang nicht untersagen, sondern bestenfalls ersparen!)

Ich bleibe also dabei: Ich bin gegen die Bundeswehr. Und ich bin gegen einen von der Männergesellschaft diktierten Ausschluß von Frauen beim „Dienst an der Waffe“. Nicht einfach, ich weiß. Aber es sind halt selten die einfachsten Wege, die ans Ziel bringen.

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