30 Jahre FrauenMediaTurm – Das Fest

24. August 2024. Es hat auch viel zu lachen gegeben an diesem Samstagnachmittag am Bayenturm (siehe Fotos). Dafür gibt es gute Gründe. Der Bayenturm, der mächtigste Wehrturm der Stadt und sechs Jahrhunderte das Wahrzeichen von Köln, ist seit 30 Jahren in den Händen der Frauen. Der in ihm beherbergte „FrauenMediaTurm“ hat über 200 Jahre Geschichte der Frauenbewegung und Emanzipation gesichert und erschlossen, recherchierbar in der Präsenzbibliothek im 4. Stock und auf FMTonline täglich aktualisiert. Denn es muss ja weitergehen.

Über Jahrhunderte hat es in Köln geheißen: Wer den Turm hat, hat die Macht. Jetzt haben ihn die Frauen. Seit kurzer Zeit ruht das Schicksal des FMT, dieses bedeutendsten universellen Frauenarchivs im deutschsprachigen Raum, allerdings nicht mehr nur in den Händen von Vorstand und Beirat sowie Mitarbeiterinnen, sondern auch auf den Schultern starker weiblicher Persönlichkeiten der Stadt, allen voran Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Sie ist als weibliches Stadtoberhaupt die direkte Nachfolgerin der Stadtgründerin Kaiserin Agrippina und Ehrenmitglied des frisch gegründeten „Fördervereins FrauenMediaTurm e.V.“. 

v.l.: Stadtkonservatorin a.D. Prof. Hiltrud Kier, Archivgründerin Alice Schwarzer, Moderatorin Chantal Louis, Fotos: Bettina Flitner

Auch die Stadtkonservatorin a.D. Hiltrud Kier gehört zum Förderverein. Sie hatte sich anno 1994 engagiert dafür eingesetzt, dass in diesen Turm nicht noch ein Karnevalsverein einzieht, sondern etwas öffentlich Nutzbares, ein Frauenarchiv zum Beispiel. Rückblickend wusste sie an diesem Sommertag zu erzählen, dass der damalige Stadtdirektor Uhlenküken damals der Meinung war, dass der Pachtvertrag für den FMT nicht länger laufen müsse als 30 Jahre: „Die Gleichberechtigung der Frauen ist doch schon so gut wie vollzogen.“ Schön wär’s.

Das 1984 als „Feministisches Archiv und Dokumentationszentrum“ von Alice Schwarzer gegründete und seit 1994 „FrauenMediaTurm“ genannte Archiv zu Geschlechterfragen ist ein Hort der Spurensicherung der Geschichte der Frauen. Und da lässt sich leicht nachlesen, wie bewegt diese Geschichte ist: mal rauf, mal runter. Auch der FMT selbst hat das am eigenen Leibe erfahren müssen. Wirklich unabhängige Frauen, die sich von keinem Konzern, keiner Partei, keinem Fördertopf abhängig machen, sind bis heute noch nicht bei allen beliebt. Denn sie können frei denken. Auch das war an diesem Tag auch auf der Bühne nicht zu überhören.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker eröffnet das Fest

In diesem Sinne eröffnete die Oberbürgermeisterin den Nachmittag und erinnerte an starke, unbequeme Kölnerinnen. Wie Hertha Kraus (1897-1968), Pionierin der Sozialen Arbeit, die antisemitisch verfolgt ins Exil flüchten musste, oder Katharina Henot (ca. 1570-1629), Geschäftsfrau, die als „Hexe“ verbrannt wurde.

Es folgte auf der Bühne eine Debatte unter Feministinnen, von Alice Schwarzer über die Philosophin Petra Gehring, bis hin zu Nena Brockhaus. Die junge Journalistin und Buchautorin („Unfollow! Wie Instagram unser Leben zerstört“) ist bekennende Feministin („Das habe ich von meiner Großmutter “) und findet die Arbeit des FMT lebensnotwendig: „Damit es mit uns Frauen weitergeht“!

v.l.: Petra Gehring, Johanna Wanka, Nena Brockhaus, Alice Schwarzer, Berit Schallner, Chantal Louis

Prof. Johanna Wanka, Mathematikerin und Bundesbildungsministerin a.D., berichtete über ihre Erfahrungen mit dem Feminismus in der DDR und nach der Wiedervereinigung. Zum Beispiel über das Recht (und den Zwang) zur Berufstätigkeit, auch in im Westen sogenannten Männerberufen. Wanka: „Das machte uns DDR-Frauen stolz und sebstbewusst“. Und FMT-Historikerin Berit Schallner erklärte, dass die heute aktuellen Themen des Feminismus schon in der Historischen Frauenbewegung um 1900 zentral waren: „Das Patriarchat sucht sich immer neue Wege und erscheint immer wieder im neuen Gewand.“ Auch deshalb sei es wichtig, die Geschichte der Frauenkämpfe zu sichern.

Auch im Publikum saßen alle Generationen. Geschätzt ein Drittel jung, ein Drittel im mittleren Alter und ein Drittel ü60. Der Feminismus geht uns eben alle an.

Gründungsmitglieder des Fördervereins FMT e.V.. (v. l.) Prof. Barbara Schock-Werner, Prof. Hiltrud Kier, Dr. Marie-Christine Frank, Susanne Fabry, Susanne Imhoff, Prof. Sibylle Stürmer, Christine Kronenberg

In diesem Sinne haben sich auch die Aktivistinnen des Fördervereins zusammengefunden: Susanne Fabry (Vorstand RheinEnergie), Dr. Marie-Christine Frank (Drei Brüder Kommunikation + Beratung), Susanne Imhoff (Vorsitzende Imhoff Stiftung), Prof. Hiltrud Kier (Stadtkonservatorin a.D.), Christine Kronenberg (Agentur „Female Resources“), Prof. Sibylle Stürmer (IHK-Präsidium), Prof. Barbara Schock-Werner und Alice Schwarzer. Am Samstag verhindert waren: Anne Henk-Hollstein (Mitglied Rat der Stadt), Gabriele von Oppenheim (Industrie-Designerin) und Elke Päffgen (Brauerei Päffgen). Initiiert hat den Verein die „Dombaumeisterin der Herzen“ in Köln, Barbara Schock-Werner. Sie scheute sich auch nicht, von der Bühne her kräftig zu werben für den Eintritt in den Förderverein: Alle Frauen und auch Männer, denen an der Gleichberechtigung liegt und die der Meinung sind, dass die Geschichte der Frauen, die immer wieder verschüttet wurde, endlich gesichert und weitergegeben werden muss, müssen diesem Verein beitreten! Und Alice Schwarzer fügte hinzu: „Damit die Töchter sich auf die Schultern der Pionierinnen stellen und weitersehen können.“

Natürlich kann auf so einem Fest nicht nur geredet werden, das wäre ja öde. Zwischen den Gesprächsrunden trug die Schauspielerin Pauline Kästner Texte großer Feministinnen vor: von Olympe de Gouges („Die Frau ist frei geboren“) bis zu Simone de Beauvoir, die im 1949 erschienenen „Das andere Geschlecht“ beschwörend appelliert: „Es ist Aufgabe des Menschen, dem Reich der Freiheit inmitten der gegebenen Welt zum Durchbruch zu verhelfen. Damit dieser höchste Sieg errungen werden kann, ist es unter anderem notwendig, dass Männer und Frauen über ihre natürlichen Unterschiede hinaus unmissverständlich ihre Geschwisterlichkeit behaupten.“ Schöner, treffender und aktueller kann frau es nicht sagen.

Die Frauenband „Abends mit Beleuchtung“ rockte das Fest

Ganz in diesem Sinne wird auch im FrauenMediaTurm gearbeitet – und gefeiert. Es spielten Akkordeonistin Dorrit Bauerecker und am Abend die Frauenband „Abends mit Beleuchtung“. Chantal Louis, die inspirierende Moderatorin des Tages, gab zuguterletzt auch noch die DJane im Brunnengewölbe des Turms.

Verpasst? Schade. Aber das war nicht das letzte FMT-Fest. Oder, noch besser: Einfach mal im Turm in der Präsenzbibliothek oder auf FMTonline stöbern. Eine wahre Goldgrube. Und, klar: Mitglied im Förderverein werden!

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