Deutsche Einheit

Social Media Beitrag vom 08.06.2025: Link zum Instagram-Post

Berlin, Herbst 1990. Während auf den Straßen gefeiert wird, brodelt es in den Hinterzimmern, auf Podien und bei hitzigen Demos: Die Mauer ist gefallen, doch für viele Frauen steht plötzlich alles wieder auf dem Spiel.

Vor allem die Ost-Frauen sorgten sich: Sie kannten bereits seit 1972 das Recht auf einen straffreien Schwangerschaftsabbruch und fürchteten nun, dass sie ihn verlieren könnten. Im Westen zitterten Aktivistinnen ebenfalls, denn die mühsam erkämpften Fortschritte in Richtung Legalisierung der Abtreibung drohten im Schatten des Einheitsprozesses wieder verloren zu gehen.

Die Debatte um §218 wurde zum Brennglas der Wiedervereinigung: Im Osten die Fristenlösung – zwölf Wochen Zeit, selbst zu entscheiden. Im Westen das restriktive Gesetz, das Frauen zur Beratung, zum Warten, zum Bittstellen zwang. Mit der Wiedervereinigung stand mehr auf dem Spiel; Es ging um Grundrechte, Selbstbestimmung und die Richtung, in die sich das neue Deutschland entwickeln würde.

Die Proteste waren laut und kreativ: Demonstrationen, spektakuläre Aktionen, Kirchenaustritte, Busfahrten nach Holland, „Wenn Männer schwanger würden, hätte es den §218 nie gegeben“ stand mit Filzstift auf Jacken geschrieben. Wie in den 70ern hallte der Ruf „Mein Bauch gehört mir“ über die Straßen. Der neu entstandene Unabhängige Frauenverband (UFV) forderte dazu im neuen Bundestag: „Die Fristenlösung muss bleiben!“

1992 schien der Durchbruch geschafft, doch das Bundesverfassungsgericht bremste: Die Fristenlösung wurde gekippt, die heutige Beratungslösung eingeführt. Für viele blieb dies ein fauler Kompromiss – und der Kampf um echte Selbstbestimmung geht weiter. Bis heute.

Für alle, die tiefer in die Thematik eintauchen wollen: Im FrauenMediaTurm findet ihr u.a. Fotoaufnahmen der Demos, Flugblätter zu den Aktionen, ein Plakat zum Ost-West-Frauenkongress 1990 in Berlin (übrigens gibt’s hierzu auch schon einen Beitrag von uns 😉) und Graue Literatur, wie die Dokumentation der Entwürfe zur gesetzlichen Neuregelung „Kein §218 in Ost und West!“ (1991). Schaut vorbei!

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Quellenmaterial

Bundestagsfraktion/PDS, Linke Liste. Kein § 218 [Paragraph zweihundertachtzehn] in Ost und West! : Dokumentation der Entwürfe zur gesetzlichen Neuregelung der Bedingungen des Schwangerschaftsabbruchs, 1991. (SE.11.134)

Elly-Heuss-Knapp-Stiftung Deutsches Mütter-Genesungswerk (Hrsg.) Im Osten was Neues: das Müttergenesungswerk; zur psychosozialen und gesellschaftliche Situation von Frauen nach der Wiedervereinigung, 1993. (LE.01.076)

08.06.2025, Katharina Henze

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