Helden im Frauenturm

Am 17. Dezember fand im Kölner Bayenturm, der den FrauenMediaTurm beherbergt, ein ganz besonderes Event statt: ein Mann las aus seinem 1000-Seiten-Buch über „Helden“, in dem es auch Heldinnen gibt. Vor allem aber spielt die Schlacht um den Bayenturm anno 1262 eine zentrale Rolle. 

Der Düsseldorfer Journalist von der Rheinischen Post war dabei:

Köln – Im mittelalterlichen Kölner Bayenturm liest Frank Schätzing aus seinem neuen Thriller über den Kampf um den Bayenturm. Und Alice Schwarzer hört der Heldengeschichte zu, stellt ein paar Fragen und entlockt dem Bestsellerautor so manches Geheimnis.

von Lothar Schröder

Frank Schätzing und Alice Schwarzer im Gespräch. Foto: Bettina Flitner

In der heiligen Domstadt kennt ja jeder jeden und jede jede, was in die Geschichte der Stadt als Kölscher Klüngel eingegangen ist, letztlich aber als ein Zeugnis der ausgeprägten Kommunikationsfreude seiner Einwohner gelten kann. Und so sind sich irgendwann auch Alice Schwarzer und Frank Schätzing in der Altstadt über den Weg gelaufen. Man kennt einander, ist miteinander befreundet. Und da der eine gerade einen mehr als 1000 Seiten umfassenden Mittelalter-Thriller publiziert hat und die andere in ihrem mittelalterlichen Bayenturm ein neues Literaturformat etablieren will, war die Sache schneller ausgemacht als getan.

Wobei es erst einmal eine Verständnishürde zu meistern galt: Denn Schätzing beschreibt die Abenteuer von Jacop, dem Fuchs, als eine echte „Helden“-Geschichte, womit dann auch der Roman betitelt ist. Der Bayenturm selbst aber hat mit Helden wenig am Hut, zumal das mehr als 800 Jahre alte Gemäuer die Redaktion der „Emma“ beherbergt sowie ein feministisches Archiv wie auch ein Dokumentationszentrum zur Geschichte der Frauenbewegung.

Es bedurfte also eines geschmeidigen Brückenschlags, wie beides miteinander in Einklang gebracht werden könnte. Aber dazu reichte ein Blick ins Buch, in dem ausgerechnet der Bayenturm eine nicht gerade mickrige Rolle spielt. Wir schreiben das Jahr 1262, in dem Erzbischof Engelbert (ein offenkundig fieser Möpp, Anmerkung der Redaktion) sich Köln auch weltlich zu bemächtigen anschickt und seine Truppen in der Stadt verteilt. Die aber sind von den gleichermaßen wehrhaften wie auch Stadt-patriotischen Bürgern flugs vertrieben – bis auf die Soldaten im mächtigen Bayenturm, der damals als eine echte Burg am Rheinufer beschrieben wurde und als uneinnehmbar galt.

Von diesem Kampf erzählt auch Schätzing im Roman; im Mittelpunkt des Geschehens mehr zufällig als absichtlich Jacop. Es gehört zu den literarischen Stärken des 67-jährigen Kölner Autors, dass er es auch ordentlich krachen lassen kann. Wie in diesem Fall: Pfeile fliegen wild von der Mauer ins Bürgervolk, Granaten werden geschmissen und verrichten ihr grausames Werk, während Jacop sich in den Turm schmuggelt und im Gewirr des Kampfes die Entscheidung dieser Schlacht herbeiführt. Der Kampf ist historisch gesichert, Jacop hingegen reine, aber schöne Fiktion. Darum auch kein Widerspruch der früheren Dombaumeisterin im Publikum, Barbara Schock-Werner, die mittlerweile im Vorstand des FrauenMediaTurms sitzt.

Die Lesung ist gewohnt kurzweilig, ebenso spannend ist auch das anschließende Gespräch mit Alice Schwarzer. Die braucht gar nicht viel zu fragen, um den Bestsellerautor mit Millionenauflage (allein „Der Schwarm“ wurde in 27 Sprachen übersetzt und fast fünf Millionen Mal verkauft) aus der Reserve zu locken und ihm Lebensgeschichten zu entlocken. Über den miesen Schüler etwa, der Zahlen weder kapieren konnte noch wollte – was beides zu fatalen schulischen Ergebnissen führte. Mit seinen Worten: „Ich wusste absolut nicht, was ich machen sollte.“

Zumindest konnte er ganz ordentlich schreiben, zeichnen, Gitarre spielen und in einer Band singen, weil er nach eigenen Worten der einzige dieser Formation war, der sich die Liedtexte mehr konnte. Immerhin. Bei der Bundeswehr diente er dann in einer Zeichenabteilung und verdiente sich dort ein paar Mark mit Porträts von „Kameraden“ aller Dienstgrade. Da es mit einer erträumten Karriere als Profimusiker dann auch nicht klappte, wechselte er von der Bundeswehrstube ins Büro einer Werbeagentur, war dort erst Grafiker und schließlich auch Texter. So krumm können die Wege eines Bestsellerautors sein.

Alle sind gut drauf an diesem Dezemberabend, und so nimmt Schätzing auch manch offensiven Einwurf von Schwarzer gelassen hin. Er, der ansonsten in großen Hallen vor ein paar hundert Leuten seine Bücher präsentiert, quittiert die Begrüßung darum auch mit einem braven „Ja“, als Schwarzer ihn fragt, ob er denn glücklich sei, endlich mal in einer vollen Bude lesen zu können. Im engen mittelalterlichen Bayenturm sind das – grob geschätzt und dicht gedrängt – kaum mehr als 40 Zuhörer und vor allem Zuhörerinnen.

Bleibt noch die Frage nach den Helden und Heldinnen. Natürlich gibt es die auch vereinzelt im Buch, sagt Schätzing. Alice Schwarzer aber hat eine andere „Figur“ fest im Blick und ist erst ganz am Ende des Thrillers fündig geworden. Genauer gesagt bei der Danksagung auf Seite 1026! Dort entpuppt sich Schätzing wieder als Musiker, und da „Helden“ im Mittelalter spielt, streift er sich das Gewand des Minnesängers über, greift zur Laute und besingt Sabina, seine Ehefrau. Für sie ist auch ein Platz in Reihe eins des Bayenturms reserviert, der aber bleibt an diesem Abend leer. Zumindest von der Angebeteten bleiben somit diese letzten Worte der Lesung unerhört: „Danke für ein Leben, das schöner nicht sein könnte! Du bist meine Heldin!“

Beitrag von Lothar Schröder (Leiter der Kulturredaktion), 18.12.2024

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