Vor 50 Jahren fand der legendäre erste Auftritt der Band Flying Lesbians statt. Anlass war das Fest Rockfete im Rock zum Muttertag 1974, in der alten TU-Mensa in Berlin. Zu dem Fest kamen über 2000 Frauen – Männer mussten draußen bleiben. Viele tanzten bis in die späte Nacht.
Auch die Organisation des Festes lag ganz in feministischer Hand. Das Fest organisierten, von der Anmietung des Raumes bis zum selbstgemachten Plakat (Letraset) vier Frauen: Roswitha Burgard, Monika Savier, Ursula Scheu und Alice Schwarzer. Zunächst lief alles nach Plan. Doch zwei Tage vor der Feier sagte die eingeladene britische Frauenrockband The Slits plötzlich ab. Quasi über Nacht fanden sich deshalb fünf Frauen zur ersten „feministischen Rockband“ der Bundesrepublik zusammen – alle Amateur-Musikerinnen, bis auf eine: Swetlana Minkow (Schlagzeug & Gesang), Cillie Rentmeister (Keyboard & Gesang), Monika Savier (Bass), Monika Mengel (Gesang) und Christel Wachowski (Gitarre).[1] Die Instrumente waren ausgeliehen, geprobt wurde vorher ein bis zweimal. „Wir bauten das Flugzeug, während wir flogen“[2] – so schilderte es später Monika Jaeckel. Beim Auftritt auf der Rockfete im Rock bestand das Repertoire aus vier selbstgeschriebenen Songs. Dazu gehörten die Titel „Frauen erhebt euch“, „Matriarchats-Blues“ und „Wir sind die Homosexuellen Frauen“. Weitere sollten folgen und schon bald waren die Flying Lesbians auch über die Grenzen hinaus bekannt.
1975 erschien die erste Langspielplatte, die sich auf den Schlag 17.000-mal verkaufte. Es war die allererste Rockplatte in der BRD, die allein von Frauen produziert worden war. Wie viele zeitgenössische Frauenprojekte waren die Flying Lesbians Teil einer selbstbestimmten Frauenkultur in den 1970er Jahren.
Die Musikerinnen blieben autonom: Kein Produzent, kein Management, auch ihre Songs komponierten und texteten sie weiterhin selbst. Unter dem Autorinnenpseudonym Emily Pankhurst wechselten sich die Bandmitglieder ab. Gesungen wurde über eigene Erfahrungen und Themen der neuen Frauenbewegung. „Battered Wife“ zum Beispiel entstand nach einem Besuch des ersten Frauenhauses in England.
Die Flying Lesbians traten rund 50-mal auf und gingen in Deutschland und im Ausland auf Tour. Ihr größter Auftritt war 1974 auf dem Kvindefestival in Kopenhagen vor 30.000 Leuten. In Erinnerung geblieben sind sie aber vor allem durch ihren Auftritt auf dem Frauencamp Femø im selben Jahr.
Nach der Auflösung der Band 1977 blieben einige der ehemaligen Mitglieds-Frauen in der Musikbranche und wandten sich neuen Projekten zu. Ihre Nähe zur Frauenbewegung ging nie verloren. 2007 kamen fünf der ehemaligen Mitglieder in Berlin noch einmal auf der Bühne zusammen. Anlass war die Buchvorstellung „In Bewegung bleiben – 100 Jahre Politik, Kultur und Geschichte von Lesben“[3]. Auch wenn sich die Band schon nach drei Jahren aufgelöst hatte – bleibt sie bis heute in Erinnerung. Zahlreiche Plakate, Zeitschriftenartikel und ihr erstes und einziges Album zeugen davon.
[1] Später kamen weitere Musikerinnen dazu: Danielle de Baat (E-Gitarre), Gigi Lansch (Gitarre), Monika Jaeckel (Gesang). In: Rentmeister, Cillie: Frauenfeste als Initiationsritual, in flying-lesbians.de, zuletzt aufgerufen am 27.05.2024 https://flying-lesbians.de/geschichte/frauenfeste-als-initiationsritual/
[2] Streich, Juliane (Hg.). These Girls. Ein Streifzug durch die feministische Musikgeschichte. 2019. 85.
[3] Dennert, Gabriele: In Bewegung bleiben – 100 Jahre Politik, Kultur und Geschichte von Lesben, Berlin: Querverlag, 2007.