Frauenbeine treten zu!

Ende Februar 1973 warf eine Gruppe von Frauen und Mädchen Schweineschwänze und Schweinhaxen. Sie flogen aus Protest auf die Bühne eines Schönheitswettbewerbs – gegen käufliches Fleisch und saugefährliche Schönheitsideale sozusagen. Dazu verteilten sie das abgebildete Flugblatt.

Ein Diskothekenbetreiber hatte seinem Laden „auf die Beine“ helfen wollen: Eine mit Maßband gewappnete Männerjury, bestehend aus Besuchern der Diskothek Number One, sollte das perfekte Frauenbein küren. Maskierte junge Frauen stellten sich auf der Bühne zur Schau. Für eine von ihnen gab es 500 DM zu gewinnen, ein komplettes Monatsgehalt für viele.

Als die Frankfurter Frauengruppe des „Revolutionären Kampfes“ (RK) – bestehend aus Schülerinnen, Studentinnen und Lehrlingen – davon erfuhr, schritt sie zur Tat. Die jungen Frauen hatten die Nase voll vom alltäglichen Sexismus. Während das männliche Publikum gespannt auf die Vermessung der Frauenbeine wartete, stürmten die Jungfeministinnen die Bühne. Sie bewarfen die Zuschauer nicht nur mit Schweineschwänze und Schweinehaxen, sondern waren ebenfalls mit Maßbändern bewaffnet – jetzt sollte es den Männern an den Kragen bzw. ans „beste Stück“ gehen. „VORWÄRTS ZUR SCHWANZVERMESSUNG DER JURY! – denn man sieht es doch sofort, ob ein Schwanz zu knorpelig, zu mickrig, zu lasch, zu krumm, zu schrumpelig ist oder gar ganz fehlt!“, schrieben sie in einem Bericht über die Aktion in dem linken Sponti-Blatt Wir wollen alles.

Bericht in: Wir wollen alles, 1973 Nr. 2, 19.03.1973, S. 19; FMT, FB.05.0175. Rechte vorbehalten.

Mit dem Maßband konfrontiert, gingen die Männer auf die Frauen los. Es folgte eine Prügelei, denn die Frauen setzten sich zur Wehr. Diese frühe Aktion schlug Wellen: Auch außerhalb Frankfurts wurde über den Protest berichtet, unter anderem von der Bild-Zeitung. Die Gruppe druckte und verteilte außerdem ein Flugblatt, das über die Aktion informierte und sie politisch kontextualisierte:[1] „Hier verkauft ihr unser Knie, wie der Bauer ein Stück Vieh“, dichteten sie. Egal, ob in der Ehe, Arbeit oder Freizeit: stets müssten wir Frauen uns mit Haut und Haaren verkaufen, immer sei das Aussehen auch unsere Existenzgrundlage. Wie bereits in Berlin, München, Kopenhagen, Amsterdam, Paris und in anderen Städten müsse deshalb auch in Frankfurt jetzt ein Frauenzentrum her. Ein Ziel, das die Gruppe gemeinsam mit den Frauen vom zweiten Frankfurter Weiberrat noch im gleichen Jahr in die Tat umsetzte.[2] In den USA und England hatten feministische Gruppen bereits ab Ende der 1960er Jahre auf Schönheitswettbewerben gegen die Fleischbeschau von Frauenkörpern protestiert.[3]

Mehr zum Thema in unseren Dossiers: Diätwahn und Körper


[1] FMT, FB.07.252.

[2] Görner, Karin: Frauenzentren Frankfurt am Main, in: Equalpedia. Zuletzt aufgerufen am 18.04.2024 https://www.equalpedia.org/frauenzentren-frankfurt-am-main/

[3] Caine, Barbara: English Feminism 1780-1980, Oxford, 1997, S. 255.; Welch, Georgia Paige: “Up Against the wall Miss America”: Women’s Liberation and Miss Black America in Atlantic City, 1968, Feminist Formations, Jg. 27, 2015, H. 2, S. 70-97, hier S. 71.

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