The open door council

Lida Gustava Heymann, 1929

Bahn frei (Offene Tür) für Freiheit und Gleichheit aller Menschen! Unmittelbar vor der Jubiläumsfeier des Weltbundes für Frauenstimmrecht und staatsbürgerliche Frauenarbeit findet am 15. und 16. Juni in Berlin eine Konferenz des Open Door Council statt. Die Frau im Staat heißt die Konferenz auf das allerherzlichste willkommen und freut sich, sie auf deutschem Boden begrüßen zu können.

Welches nun sind die Grundsätze des Open Door Council? Er will den Frauen das Recht auf Arbeit und Arbeitsschutz unter den gleichen Bedingungen wie den Männern sichern und erreichen, daß Gesetzgebung und Bestimmungen betreffend Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit, Entlohnung, Ausbildung von der Art der Arbeit, nicht aber vom Geschlecht des Arbeitenden abhängig gemacht werden.

Der Open Door Council will den Frauen das Recht sichern, jederzeit ohne Rücksicht auf Heirat oder Niederkunft, selbst zu entscheiden, ob sie Lohnarbeit verrichten wollen oder nicht. Keine Gesetzgebung oder Bestimmungen sollen ihnen dieses Recht beschränken können.

Der Open Door Council lehnt den Arbeiterschutz nicht ab; er ist jedoch überzeugt, daß jedem Arbeiter, ob Mann oder Frau, jeder notwendige Schutz gewahrt werden kann, wenn für die Arbeitsbestimmungen die Art der Arbeit richtunggebend ist. Darum lehnt er jede Gesetzgebung ab, die der Arbeit der Frauen des Geschlechtes wegen Beschränkungen auferlegt.

Einseitiger Schutz für die Frauen bedeutet fast ausnahmslos Freiheitsberaubung, Lohndruck; demzufolge ist der Kampf der Frauen dagegen so alt, wie die Frage der Arbeiterinnenschutzgesetzgebung selbst. Hier wie fast immer erlebten wir, daß diejenigen, die am meisten durch den sogenannten Schutz benachteiligt werden, für ihre Sklavenketten kämpfen. Für Scheinvorteile, für ein Linsengericht werden hohe Ideale, werden erst später zu erreichende Vorteile für die Gesamtheit arbeitender Männer und Frauen skrupellos preisgegeben. Während es in Amerika, England, Frankreich, Holland, den skandinavischen Ländern usw. sowohl unter den Arbeiterinnen, wie in der Frauenbewegung stets Frauen gegeben hat, die sich kraftvoll gegen jeden sogenannten Schutz der arbeitenden Frau auflehnten, weil er in den weitaus meisten Fällen ein Reservat der Männer auf gutbezahlte Posten bedeutet, ist die Frage in Deutschland niemals heiß umstritten worden. Einige wenige Frauen des linken Flügels der radikalen Frauenbewegung haben sich – konsequent und logisch – wenn die Gelegenheit es bot, gegen Beschränkung der Arbeitsfreiheit der Frauen in geistigen und physischen Berufen ausgesprochen, aber die im Bunde deutscher Frauenvereine organisierte gemäßigte Frauenbewegung, die Hirsch-Dunkerschen, die freien Gewerkschaften, die katholischen Arbeiterinnenvereine usw, traten immer für Arbeiterinnenschutz in jeder Gestalt ein.

Das Für und Wider dieser für die Frauen aller Länder so hochbedeutsamen Frage wird durch die Konferenz des Open Door Council erfreulicherweise neu aufgerollt werden; wir wollen jetzt auf keine Einzelheiten eingehen. Mit der Konferenz ist am 19. Juni die Abhaltung einer öffentlichen Versammlung verbunden; vom 10. bis 24. Juni hält der Open Door Council im „Russischen Hof“, Georgenstraße 21, ein Sekretariat zur Auskunftserteilung offen.

Zweck der Konferenz ist eine Internationale des Open Door Council zu begründen. Dreizehn Länder: Dänemark, Belgien, Finnland, Ägypten, Griechenland, Großbritannien, Ungarn, Holland, Deutschland, Norwegen, Schweden, Schweiz und die Vereinigten Staaten von Amerika haben ihre Bereitschaft schon zugesagt. Nur auf Internationaler Grundlage kann diese Frage gelöst werden, es ist höchste Zeit, daß dem Internationalen Arbeitsamt in Genf eine Internationale der Frauen entgegengestellt wird, die aus eigener Initiative handelt.

Die Internationale des Open Door Council wird schwere Kämpfe auszufechten haben; daß seine Gründung sich in Berlin zur fünfundzwanzigjährigen Jubiläumsfeier des Weltbundes für Frauenstimmrecht vollziehen wird, erscheint uns als ein gutes Omen!

Wir gedenken des Jahres 1904, als die Gründung des Weltbundes für Frauenstimmrecht in Berlin stattfand. Die stärksten Gegnerinnen dieser Gründung, die sie mit allen Mitteln bekämpften und auf Umwegen erreichten, daß dieses wichtige Ereignis, die internationale Organisation der politischen Frauenbewegung, unter Ausschluß der Öffentlichkeit, hinter verschlossenen Türen vor sich gehen mußte, waren Frauen, die fünfzehn Jahre später herzlich gern als Abgeordnete in die Parlamente einzogen und heute sogar – nicht sehr konsequent und logisch – mit Stolz die Jubiläumsfeier für den Weltbund für Frauenstimmrecht vorbereiten. Wir freuen uns dieser Tatsache, denn sie beweist die zwingende Kraft der damals vertretenen Ideen von der politischen Gleichberechtigung der Frauen. Möge nach fünfundzwanzig Jahren – eine kleine Spanne Zeit im Leben der Völker – das Jubiläum des Internationalen Open Door Council wiederum von denen festlich begangen werden, die heute seine Gegner sind. Möge er in fünfundzwanzig Jahren den Frauen Gleichheit und Freiheit auf wirtschaftlichem Gebiete erobert und gesetzlichen Gesundheits- und Arbeitsschutz für Männer und Frauen geschaffen haben, der es ermöglicht, daß alle Arbeitenden ein menschenwürdiges Dasein leben können.

(Quelle: Heymann, Lida Gustava (1929): The open door council. – In: Die Frau im Staat : eine Monatsschrift, Nr. 5, S. 1 – 2)

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