Louise Otto-Peters, 1847
Wo wieder aber ward der Ruf vernommen:
»Für Alle Freikeit!«, klang es fast wie Hohn,
Denn für die Männer nur war er gekommen
Im Wettersturm der Revolution.
Denn schien auch Joch auf Joch hinweggenommen,
Und stürzte auch in Trümmer Thron um Thron:
Dem Männerrecht nur galt das neue Ringen,
Das Frauenrecht blieb in den aken Schlingen.
Wohl grüßten freie Männer sich als Brüder,
Nur Bürger gab es, nicht mehr Herr und Knecht;
Wohl sangen sie der Liebe Bundeslieder
Und fühlten sich als ein erneut‘ Geschlecht.
Doch auf die Schwestern blickten stolz sie nieder,
Der Menschheit Hälfte blieb noch ohne Recht,
Blieb von dem Ruf: »Für alle!« ausgenommen –
Ihr muß erst noch der Tag des Rechtes kommen.
Der Frauen Schar, die in den Staub getreten,
Ward nur erhoben an des Glaubens Hand.
Die besten lernten fromm zum Himmel beten,
Weil ja die Erden weit sie nicht verstand;
Die andern aber ließen sich bereden,
Sie seien nur bestimmt zu Spiel und Tand,
Es sei ihr höchstes Ziel, im süßen Minnen
Des ganzen Lebens Inhalt zu gewinnen.
Doch wiederum wird einst der Ruf erklingen:
So wie vor Gott sind wir auf Erden gleich!
Die ganze Menschheit wird empor sich ringen,
Zu gründen ein erneutes Liebesreich,
Dem Weibe wie dem Mann sein Recht zu bringen,
Zu wahren mit des Friedens Palmenzweig.
In lautrer Wahrheit stolzem Siegesschalle
Tönt’s noch einmal: »Erlösung kam für alle!«
(Quelle: Otto-Peters, Louise (1847): Freiheit für alle. – In: Frauenemanzipation im deutschen Vormärz : Texte und Dokumente. – Möhrmann, Renate [Hrsg.]. Stuttgart : Reclam, 1980, S. 59 – 60)