Minna Cauer, 1925
Wer das Glück und die Freude hat, HEDWIG DOHM persönlich zu kennen, dem tritt sofort die strahlende Jugendlichkeit und Lebendigkeit dieser eigenartigen Persönlichkeit entgegen: Sprudelnd in der Unterhaltung, scharf im Denken, fein im Fühlen, – alles das fesselt; eins aber begeistert – das überzeugungstreue, niemals wankende Eintreten für Recht und Gerechtigkeit. Hedwig Dohm hat nie ein Wanken und Schwanken gekannt, hat nie aufgehört mit der Zeit und in der Zeit zu leben, trotzdem sie ihrer Natur nach die Zurückgezogenheit liebt. Sie hat nie das Podium bestiegen, um durch Reden ihre Grundsätze zu vertreten, aber sie hat durch ihre Schriften grossartig gewirkt. Das, was Hedwig Dohm in ihrem Buch DER FRAUEN NATUR UND RECHT (1874) in flammender Weise vertritt, bahnt sich jetzt an, Wirklichkeit werden zu wollen. Beim Erscheinen des Werkes wurde diese Frau mit Schimpf und Spott beworfen und selbst Frauenrechtlerinnen der damaligen Zeit lehnten das Buch in seinen Tendenzen ab. Hedwig Dohm weiss ihre Gegner zu treffen – scharfer Sarkasmus, feinste Ironie stehen ihr in ihrer Polemik zu Gebote. Kaum glaubt man es, wenn man diese zarte Erscheinung sieht, dass der darin lebende Geist solcher wuchtigen Waffen fähig ist, sieht man aber in das geistreiche Gesicht und in die glänzenden Augen, lauscht man ihren Bemerkungen über das, was an sie herantritt, so weiss man sofort, dass der Geist hier über die zarte Konstitution die Herrschaft gewonnen hat.
Hedwig Dohm hat eine Reihe von Romanen geschrieben, sie tragen alle mehr oder weniger das Gepräge des Kampfes, ihre Artikel in den verschiedensten Zeitschriften sind oft geradezu von verblüffender Beweisführung und Schlagfertigkeit. Der Schlag ist oft so plötzlich und trifft den Gegner derartig, dass er sich entweder besiegt erklären muss oder in ewiger Feindschaft verharren wird. Auch uns ist Hedwig Dohm eine treue Mitarbeiterin und Gehilfin in unserm Kampfe gewesen. Wie hat sie z.B. Dr. Max Runge und Dr. Placzek angegriffen und in ihren Schriften widerlegt!* Wie hat sie vor allem Dr. Möbius in seiner Schrift: ÜBER DEN PHYSIOLOGISCHEN SCHWACHSINN DES WEIBES** heimgeleuchtet. Die Lacher standen nicht auf seiten der Anhänger von Möbius. Wir freuen uns, Hedwig Dohm so geistig frisch und kampfesmutig wie immer zu sehen, sie gehört zu jenen Naturen, die nicht altern; wir danken Hedwig Dohm manches frische, kräftige und mutige Wort für unser Vorgehen in dieser Zeitschrift. So ruft die Redaktion der radikal denkenden und radikal wirkenden Frau die herzlichsten Glückwünsche zu ihrem 75. Geburtstage zu. Möchte sie uns noch lange erhalten bleiben!
Die Redaktion DIE FRAUENBEWEGUNG, Bln. 1. Okt. 1908