„Ich habe abgetrieben. Ich bin gegen den Paragraphen 218 und für Wunschkinder.“ Das proklamierten 374 Frauen 1971 im Stern. Die Abtreibungsfrage mobilisierte in der Folgezeit Frauen in der gesamten Bundesrepublik. Diese Phase der Frauenbewegung beleuchtete der FrauenMediaTurm in seinem DDF-Projekt 2021.
Die Forderungen waren klar und deutlich: keine Reform, sondern die ersatzlose Streichung des § 218, umfassende sexuelle Aufklärung für alle, freier Zugang zu Verhütungsmitteln und von der Krankenkasse finanzierte Abtreibungen. Das alles abgedruckt in einem der größten politischen Wochenmagazine der Bundesrepublik, das mit der Story titelte.
Die an eine Kampagne des Mouvement de libération des femmes (MLF) in Frankreich angelehnte Selbstbezichtigungskampagne der 374 Frauen war von der Journalistin und Aktivistin Alice Schwarzer initiiert worden, damals als Korrespondentin in Frankreich und aktiv im MLF. Sie konnte den Stern für die Veröffentlichung gewinnen, die Unterstützung einiger Frauengruppen und vieler einzelner Frauen, die die Selbstbezichtigung unterschrieben und die Forderungen weiterverbreiteten.[1] Schnell gründeten sich unter dem Namen „Aktion 218″ neue Frauengruppen; bereits im Juli 1971 fand das erste bundesweite Delegiertentreffen statt.
Eine dieser Frauen war Gisela Schneider. Sie war damals Sekretärin beim WDR und es war ihr Chef Günter Wallraff, der ihr von der geplanten Aktion berichtete. Sie setzte nicht nur ihre Unterschrift unter die Erklärung, sondern stellte sich mit Tapeziertisch, Unterschriftenliste und einer Freundin in die Kölner Fußgängerzone. Es zeigte sich: Das Thema beschäftigte auch viele andere Menschen – die beiden jungen Frauen wurden von Diskussions- und Unterschriftwilligen fast überrannt. Es blieb nicht beim Kampf gegen den § 218: Viele Aktivistinnen der Aktion 218 wurden wichtige Akteurinnen der Neuen Frauenbewegung und sind ihr Leben lang aktive Feministinnen geblieben. Um sie und ihre Arbeit drehte sich im FMT das Jubiläumsjahr 2021.
Im Rahmen des DDF-Projektes hat der FMT Bild- und Tondokumente aus der Anfangszeit der Bewegung erschlossen und digitalisiert. Weil aufgrund von COVID-19 eine bereits geplante Ausstellung in den Räumlichkeiten des FMT nicht durchgeführt werden konnte, hat das Team diese Materialien zusammen mit thematisch passenden Pionierinnen-Interviews, Akteurinnen-Porträts, Interview-Transkripten, Fotos und der Film-Dokumentation „13 Pionierinnen“ in einem neu gestalteten Webauftritt online zugänglich gemacht.
Das Jubiläum konnte im September trotz Covid-19 in Präsenz begangen werden: Draußen und mit kleinem Publikum hat der FMT auf einer zweitägigen Veranstaltung gefeiert und debattiert – mit Pionierinnen der Neuen Frauenbewegung und ihren Nachfolgerinnen, mit PragmatikerInnen und Intellektuellen, über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Feminismus, über Frauenarbeit und Körperpolitik. Die Veranstaltung wurde live gestreamt und aufgezeichnet; Einzelpanel wie Stream sind auf YouTube und über die FMT-Webseite öffentlich zugänglich.
Das zwölfmonatige DDF-Projekt des FMT erinnerte aktiv an das 50-jährige Jubiläum der „Wir haben abgetrieben“-Kampagne und den Aufbruch der Neuen Frauenbewegung. Zudem stellten wir ein Materialpaket für den Schulunterricht bereit, um die Neue Frauenbewegung auch jüngeren Generationen zugänglicher zu machen.
In einem zweiten Teilprojekt kümmerten wir uns um die Aktualisierung unserer Datenbanken: Die Umstellung von RAK auf RDA entspricht internationalen Standards und ermöglicht nun die Vernetzung der FMT- Datenbestände mit internationalen Datenbanken sowie dem META-Katalog. Das kommt vor allem unseren NutzerInnen zu Gute.
Das dritte Teilprojekt widmete sich der feministischen Presse. Im Zentrum stand die Erschließung und Digitalisierung der Erstjahrgänge von fünf feministischen Zeitschriften (1971–1975) sowie des ersten Frauenkalenders von 1975. Sechs Texte begleiteten die entstandenen Digitalisate auf dem DDF-Portal. So entstand je ein Text zu den erschlossenen und digitalisierten Zeitschriften Frauen und Film, Hexenschuß, Johannesviertel Frauenzeitung, mamas pfirsiche, und Wir. Frauengruppe. Ein Übersichtstext zur feministischen Presselandschaft bettete die einzelnen Titel in den größeren historischen Kontext ein.
Die entstandenen Materialien können auf unserer Webseite und dem DDF-Portal abgerufen werden – schaut vorbei!
[1] FMT, FB.07.238, Frauenaktion 70, Appell, Bl.3, Mai 1971, abgedruckt in: Stern Nr. 24 (6.6.1971), S. 17.