Stimmen der Vergangenheit: Louise Dittmar 1849

Jubelnde Sufragetten ©Heritage Image Partnership Ltd.

Louise Dittmar ist 1807 in Darmstadt geboren. Sie war eine 1848er Revolutionärin und engagierte sich von Beginn an für die Rechte der Frauen. Sie war die erste, die das Frauenwahlrecht forderte. Der nachfolgende Text ist ein Auszug aus „Frauenemanzipation im deutschen Vormärz. Texte und Dokumente.“

WIDER DAS VERKOCHTE UND VERBÜGELTE LEBEN DER FRAUEN

Betrachten wir doch diese gepriesene Häuslichkeit etwas näher. Das verkochte und verbügelte Leben der Frauen ließe, wie Jean Paul sagt, daran zweifeln, ob die Frauen eine Seele hätten, wenn sie nicht liebten. Aber hat denn diese Liebe nicht auch eine verkochte, verwaschene und verbügelte Seele oder schlimmer noch: eine roman- und teeverwässerte? Sollte man an die Gedanken und Empfindungen des 19. Jahrhunderts glauben beim Anblick aller der häuslichen Plackereien, dieses spindelhaften Umdrehens um sich selbst, gebannt in den engsten Kreis. Und wie heute, so morgen.

Kann bei diesem zeittötenden Einerlei ein erhebender Gedanke die Seele durchdringen; bleibt für das Interesse der Gesamtheit, für die Erreichung höherer Zwecke, für die Kultur des Herzens, für die Entwicklung der Seelenkräfte noch Zeit, Neigung und Gelegenheit; erschöpfen sich nicht alle Kräfte in der Befriedigung der steten Anforderungen und Bedürfnisse des Augenblicks?

Die Frau muß das Ideal einer Gattin, Mutter, Hausfrau und Gesellschafterin sein: alles können und nichts wollen, alles leisten und nichts brauchen; tugendhaft, liebenswürdig, gebildet, bescheiden, einfach usw. sein, ein Genie in Leistungen und ein Automat im Willen.

Welche Kenntnisse würden sich die Frauen in allen Fächern aneignen können, wenn sie statt am eignen Herd, wie heute, so morgen, zu sieden und zu braten, an großen gemeinschaftlichen Anstalten sich beteiligten, wo alles mit Kunst und wissenschaftlichen Hilfsmitteln betrieben würde. Und würden sich hierbei nicht die verschiedensten Fähigkeiten beteiligen und zugleich ihr ökonomische Unabhängigkeit sichern können?

Aber nicht eher wird man das jetzige Hauswesen verdammen, nicht eher die Bestimmung der Frau von dieser Tretmühle freisprechen, nicht eher eine wahre Häuslichkeit, daß heißt eine behagliche Existenz zu Hause und ein gemütliches Familienleben erreichen, bis diese weibliche Galeerensträflingsanstalt als Folge freibeweglicher, gesellschaftlicher Einrichtungen verbannt ist.

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